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1979 erfand Wilfried Zippel ein Verfahren zum Recyceln von Blei-Säure-Batterien. Seitdem hat sich das Unternehmen Batterie Zippel immer mehrfach neu erfunden. Nach einem verheerenden Brand schickt sich nun die dritte Generation an, das Unternehmen fürs 21. Jahrhundert fit zu machen.

Von Mirko Schwanitz

Es gibt Momente im Leben, an denen man denkt: Nichts geht mehr! So erging es 2020 Kfz-Meister Jörg Zippel, Ehefrau Gabi und Sohn Henrik. „Unsere Produktionshalle brannte komplett aus“, erklärt Henrik Zippel. „Unser gesamter Warenbestand – verbrannt! Die Photovoltaikanlage auf dem Dach – hinüber!“ Für Henrik der Super-GAU, hatte er sich doch gerade erst angeschickt, langfristig die Betriebsnachfolge in der Firma Batterie Zippel zu übernehmen und in die großen Fußstapfen von Vater Jörg und Großvater Wilfried zu treten. Der hatte in der DDR aus der Materialnot eine Tugend gemacht. 1979 begann er, alte Batterien nicht nur aufzuarbeiten, sondern auch selbst zu bauen. Die Technik dafür entwickelte er selbst. So wurde der geniale Handwerker zum Pionier eines staatlichen Regenerierungsprogramms – und Kopf einer Firma, in der Nachhaltigkeit früh großgeschrieben wurde. Der Brand 2020 war also sicher die größte, aber mitnichten die erste Herausforderung, die der kleine Frauenhagener Familienbetrieb meistern musste.

„Aufgeben wäre gegen unsere Handwerkerehre gewesen“”

„Nach dem frühen Tod meines Vaters und der Wiedervereinigung musste ich die Firma ein erstes Mal neu erfinden“, erinnert sich Jörg Zippel. „Plötzlich gab es Batterien in Fülle. Die eigene Produktion war nicht mehr rentabel.“ Er, spezialisierte die Produktion in den frühen 1990ern klug auf den Bau von LKW- und Oldtimerbatterien. Wenig später kam der Vertrieb technischer und medizinischer Gase ins Portfolio. Gabi Zippel, die seit Jahren das Büro managt und für die Firma früh ihren Beruf als Friseurmeisterin aufgab, beobachtet mit Freude, „wie beide Männer vor Ideen sprühen. Denn nach dem Brand stand tatsächlich kurz im Raum, dass wir aufgeben. Aber das wäre gegen unsere Handwerkerehre gewesen.“ Inzwischen wächst aus der Asche eine neue Halle in die Höhe. Sohn Henrik führt über das Firmengelände. Stolz zeigt er auf im Hof gestapelter leerer Spezialbehälter: „Meinen Vater trieb lange vor der ‚Fridays for Future‘-Bewegung das Thema Umweltschutz um. Diese Behälter sind Teil eines Logistiksystems, mit dem wir Firmen die umweltgerechte Entsorgung von Altbatterien anbieten. Das ist ein Service, den ich als Nachfolger den Erfordernissen der Zeit anpassen und weiter modernisieren möchte.“

„Wir prüfen gerade den Einstieg in ein neues Geschäftsfeld“”

Das Zippel-System ermöglicht es Firmen und Autohäusern, ihre Batterien kostenlos zu entsorgen. Nach Abholung durch die Spezial-LKW der Firma erhalten sie ein anerkanntes Zertifikat über die umweltgerechte Entsorgung ihrer Altbatterien“, erklärt Henrik. Längst geht es dabei für die 6 Mitarbeiter von Batterie Zippel auch um die Entsorgung riesiger Batterieeinheiten. Sie werden, etwa in Krankenhäusern, zunehmend in der Notstromversorgung eingesetzt. „90 Prozent aller Säure-Blei-Batterien werden inzwischen in Deutschland recycelt. Wir sind ein Teil des Netzwerkes, dass das möglich macht“, sagt Henrik stolz. Mit dem Bau einer neuen Halle richten Jörg und Henrik Zippel ihren Blick inzwischen weit nach vorn. „Ich möchte die Firma fit fürs 21. Jahrhundert machen“, sagt Henrik. Dafür will er sein im Betriebswirtschaftsstudium erworbenes Know how nutzen. „Die Energiewende bietet viel Potential. Gerade bereiten wir den Einstieg ins Geschäft mit Solarmodulen und damit verbundenen Hauskraftwerken vor. Auch die müssen ja batterietechnisch fachgerecht betreut werden. Und natürlich haben wir nach wie vor die Möglichkeit und das Know how, Oldtimer-Enthusiasten bei Batterieproblemen mit Sonderanfertigungen zu helfen.

Mirko Schwanitz

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Batterie Zippel
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Ein Parkplatzschaden? Eine Unachtsamkeit beim Rückwärtsfahren? Muss am Auto etwas ausgebessert werden, ist der Autolackierbetrieb von Siegfried Schneeweiss in Berkholz-Meyenburg seit 25 Jahren eine gefragte Adresse.

Von Eva-Martina Weyer

Als 1998 eine Lackiererei zum Verkauf stand, griff Siegfried Schneeweiss zu. Nicht ganz freiwillig, wie er erzählt. Kollegen hatten ihn ein wenig gedrängt und gesagt: „Mach mal.“ Also machte er. Damals war er 27 Jahre alt, hatte bei Sachsenring Zwickau seinen Gesellenbrief als Kfz-Lackierer gemacht und 1989, noch zu DDR-Zeiten, seinen Meisterbrief. Seitdem hat er sich spezialisiert: auf Kfz-Lackierungen vom Moped bis zum Kleintransporter. Aber auch Oldtimer sind bei ihm in guten Händen. „Wir haben aber auch schon Küchenmöbel lackiert. Die Kunden sind froh, dass es so ein Angebot gibt, wo doch wieder Nachhaltigkeit großgeschrieben wird. Schneeweiss‘ Credo: „Was noch funktioniert, kann man auch wieder auf Vordermann bringen!“ Es gibt fast nichts, was Siegfried Schneeweiss nicht schon demontiert, entrostet, entfettet, lackiert, montiert und poliert hat.

“Schnell is nich!”

„Wir arbeiten viel mit anderen Betrieben zusammen, denn man muss nicht alles selbst machen“, erzählt der Meister aus der Praxis. „Wichtig ist mir, dass der Kunde am Ende glücklich ist.“ Der ahnt natürlich nicht, dass bei einer Reparatur, wo gespachtelt werden muss, 36 Arbeitsgänge anfallen. Mit Ausbeulen, Spachteln, Füllen, Schleifen fangen Schneeweiss und seine Mitarbeiter an. Erst dann kommt Lack auf die Fläche, mitunter mehrfach. Aber davon bekommen die Kunden nur selten etwas mit. Erst wenn am Ende alles poliert, das Auto sauber und die kritische Qualitätskontrolle vor Meisters Auge bestanden hat, geht der Wagen an den Kunden zurück. „Schnell is nich! Das fällt einem auf die Füße“, weiß Siegfried Schneeweiss.

“Schwarz s nicht gleich Schwarz”

Was kaum ein Kunde weiß. Die Suche nach dem richtigen Farbton ist oft eine Herausforderung. „Man hat einen einzigen Farbcode und manchmal 26 ausgetestete Varianten.“ Dann sucht Siegfried Schneeweiss mit der Tageslichtlampe nach der alles entscheidenden Nuance zum Beispiel im Schwarz. Das ist eine Wissenschaft für sich. Denn: Schwarz ist nicht gleich schwarz. „Soll ja nicht auffallen, dass das Auto lackiert wurde.“ Knifflige Aufträge freuen ihn besonders, weil sie uns immer wieder herausfordern.“ Weswegen der Meister Hagelschäden besonders liebt. Hier kann er nämlich die Berufserfahrung von über 30 Jahren in die Waagschale werfen, um eventuell auch ohne Lackierung erfolgreich zu sein. Wohl auch wegen dieses Könnens vertraue Autoliebhaber ihm gern ihre Oldtimer an. Manches Fahrzeug hat da schon jahrelang auf dem Abstellgleis gestanden und Rost angesetzt. Siegfried Schneeweiss freut sich, wenn der Kunde stolz mit seinem Oldie vom Hof fährt. Darunter waren zum Beispiel mehrere VW Käfer aus den 1970er-Jahren. Zu den vier Mitarbeitern im Betrieb gehört sein ehrgeiziger Sohn Charley. Er hat den Beruf beim Vater gelernt und wird die Firma übernehmen. Alle sind erleichtert, dass die Nachfolge schon vor dem 25. Betriebsjubiläum geregelt war.

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Autolackierung Siegfried Schneeweiss
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Orthopädietechnikermeister Enrico Scherfel beschäftigt 12 Mitarbeiter. Seine Firma könnte wachsen. Doch wie viele hat die Scherfel Orthopädietechnik ein Fachkräfteproblem.

Von Mirko Schwanitz

Zwei stilisierte Menschen, die sich einander zuwenden und ein Herz bilden. Das ist das Logo der Orthopädietechnik Scherfel in Schwedt. „Darin steckt alles, was meine Firma ausmacht“, sagt Enrico Scherfel. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet er als Orthopädietechniker, seit 23 Jahren ist er Meister seines Fachs. „In der DDR machte ich eine Werkzeugmacherlehre. Nach der Wende wurde meine Firma, die Radargeräte baute, platt gemacht. Ich absolvierte dann erst einmal einen Zivildienst in einem Pflegeheim.“ Schwer zu sagen, ob das der Auslöser war. Aber der Werkzeugmacher wollte sein handwerkliches Geschick fortan dafür einsetzen, anderen Menschen zu helfen. „Klingt ein wenig pathetisch, ist aber so.“

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Das freundliche Team von Orthopädietechnik Scherfel

Die Meisterprüfung – eine Herausforderung

Enrico Scherfel schulte um. „Das Faszinierendste an unserem Job ist, dass wir jeden Tag für ein oft hochkomplexes Problem eine individuelle Lösung finden müssen. Bei uns verbinden sich Kenntnisse über Anatomie und Physik mit Werkstoffkunde und Elektronik.“ Schon die Meisterprüfung war eine Herausforderung. „Ich sollte einem Patienten mit einer Prothese helfen. Ihm war wegen eines Tumors im Oberschenkel der Unterschenkel seitenverkehrt an die Hüfte operiert worden. Er sollte das Sprunggelenk als Kniegelenk nutzen können. Wenn Menschen dank unserer Hilfe wieder gehen können, ohne dass man ihnen ansieht, dass sie eine Prothese oder Orthese nutzen, erfüllt mich das mit Stolz. Aber auch mit Verantwortung. Denn: Orthopädietechniker sind irgendwie mit jedem Patienten ‚verheiratet‘.“ Nastja Moltschowa ist so Beispiel. Die junge Belarussin wurde elf Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl mit einer Missbildung am rechten Bein geboren. „Mit fünf Jahren stand sie das erste Mal vor mir und sagte: Wenn ich in die Schule komme, möchte ich ganz normal mit anderen in der Schulbank sitzen können.“ Seitdem hat Enrico Scherfel den Weg der jungen Frau begleitet. „Heute ist Nastja 23, kann nicht nur Treppensteigen und schwimmen, sondern auch reiten.“

Ausgezeichneter Ausbilder

23 Jahre arbeitete Enrico Scherfel als Angestellter, bevor er sich entschloss, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Neun Lehrlinge hat er bisher ausgebildet. Vor kurzem wurde er für die Ausbildung der Landessiegerin im Bereich Orthopädietechnik ausgezeichnet. „Ich gebe Wissen gerne weiter“, sagt er. „Wir sind inzwischen 12 Mitarbeiter. Dennoch brauchen wir Nachwuchs. Denn in Schwedt ist es nicht nur eine Herausforderung, junge Leute zu finden, sondern auch sie zu halten. Da geht es mir wie vielen anderen Handwerksbetrieben.“ Und so treibt auch Enrico Scherfel die Frage um, wie es gelingt, bei Jugendlichen Interesse für sein Handwerk zu wecken.  „Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, den Schülern von heute bewusst zu machen, wie eine Welt aussehen wird, in der es immer weniger Handwerker geben wird. Man muss ihnen klarmachen: Es wird die Welt sein, in der sie leben werden.“ Er jedenfalls wird wieder an Lehrberufeschauen teilnehmen, wird weiter für seinen Beruf werben, den er für einen der erfüllendsten auf der Welt hält… Mirko Schwanitz

Mirko Schwanitz

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Orthopädietechnik Scherfel
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Andreas Lagansky ist seit 28 Jahren Ausbilder für angehende Zimmermänner und – frauen. Wir sprachen mit ihm über Ausbildungssoftware, fehlenden Support und den Verlust praktischer Fähigkeiten.

Andreas Lagansky mit der von ihm entwickelten Software
Andreas Lagansky

DHB: Herr Lagansky, was ist das für eine merkwürdige Konstruktion da auf Ihrem Tisch?

Andreas Lagansky: Sie meinen sicher diese Konstruktion hier. Das ist mein Meisterstück.

DHB: Sieht aus, wie das Modell eines Dachstuhlteils.

Andreas Lagansky: Das stimmt. Dabei ging es damals darum, zu zeigen, dass man die hochkomplexe Zimmermannstechnik des „Schiftens“ beherrscht.

DHB: „Schiften“? Ich kenne nur die „Shift“-Taste am Computer…

Andreas Lagansky: Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen kleinen Dachstuhl für Ihr Gartenhäuschen zimmern und wollen alle Teile vorher zuschneiden, so dass Sie sie auf der Baustelle nur noch zusammenbauen müssen. Sie müssen jede Ecke, jede Kante, jede Schräge, jeden Winkel vorher vorgedacht und auf Maß zugeschnitten haben, wenn möglich millimetergenau. Und genau das ist es, was Zimmerleute das „Schiften“ nennen.

DHB: Sie gelten als Spezialist für diese besondere technische Fähigkeit, haben als Autodidakt dafür sogar eine spezielle Lernsoftware für die Ausbildung von Lehrlingen und Meisterschülern entwickelt. Wie kam es dazu?

Andreas Lagansky: Das ist eine lange Geschichte….

DHB: Wir lieben lange Geschichten – wenn sie spannend sind.

“Ich wollte nie Zimmermann werden” 

Andreas Lagansky: Ehrlich. Ich wollte eigentlich nie Zimmermann werden. Ich wäre lieber Rundfunk- und Fernsehtechniker geworden.

DHB: Wie kam das?

Andreas Lagansky: Mein Großvater war ein großer Bastler. Dem habe ich immer zugesehen. Und manchmal durfte ich sogar mitbasteln. Einmal habe ich erlebt, wie er sich einen Plattenspieler gebaut hat – komplett funktionsfähig. Das hat mich fasziniert und mir ungeheuer imponiert.

DHB: Und warum haben Sie dann etwas Anderes gelernt?

Andreas Lagansky: Weil ich dafür in der DDR Vitamin B gebraucht hätte – das „B“ stand für „Beziehungen“. In Neuzelle, wo ich aufwuchs, gab es damals nur einen Ausbildungsplatz. Klar, ich hätte die Ausbildung auch ohne Beziehungen machen können. Aber dafür verlangte man von mir, dass ich mich auf zehn Jahre bei der Armee verpflichte, wo man mich in die Funktruppen gesteckt hätte. Nee Danke! Also nahm ich, was ich kriegen konnte.

DHB: Und das war eine Ausbildung zum Zimmerer?

Andreas Lagansky: Genau. Beim BKK Ost in Eisenhüttenstadt brauchte man für diverse Großbaustellen Einschaler im Akkord. Die bildeten, ich will es mal vorsichtig ausdrücken, Schmalspurzimmerer aus. Ich hatte Glück, es gab auch eine kleine Betriebstischlerei und da wurden plötzlich zwei Lehrlinge gesucht. Dort konnte ich meine Ausbildung beenden und lernte von dem alten Meister wirklich alles, was man im Zimmererhandwerk braucht. Das machte mir solchen Spaß, dass ich die Lehre ein halbes Jahr früher abschloss. Während die anderen noch ein halbes Jahr Lehrlingsgeld bekamen, „sahnte“ ich schon den Einsteigerfacharbeiterlohn von 625 Mark ab. Allerdings konnte ich als Geselle nicht in der Tischlerei bleiben.

“Körperliche Arbeit schon als Kind gewöhnt” 

DHB: Es ging zurück auf die Großbaustellen?

Andreas Lagansky: Genau. Wieder: Einschalen, Einschalen, Einschalen. Meine letzte Großbaustelle war das Spanplattenwerk in Beeskow. Dann habe ich mir gesagt, jetzt reichts!

DHB: War es die schwere körperliche Arbeit, die Sie frustrierte?

Andreas Lagansky: Ach was! Körperliche Arbeit war ich schon als Kind gewohnt. Mein Vater war Forstarbeiter, hat Bäume gepflanzt, gefällt und im Sägewerk Grunow geschält und geschnitten. Und ich, wenn keine Schule war, immer „mittenmang“. Auch wenn Grubenhölzer auf Waggons verladen wurden. Mann, waren die schwer! Also: Er brachte mir bei, dass man mit seiner Hände Arbeit Geld verdienen kann. Dass das nichts ist, wofür man sich schämen muss. Dass man darauf stolz sein kein.

DHB: Klingt nach schwerer Kindheit?

Andreas Lagansky: I wo, überhaupt nicht. Es war schön, mit dem Vater im Wald zu sein. Bäume zu pflanzen, in den Pausen Blaubeeren und Pilze zu sammeln oder in einem der Seen baden zu gehen. Ich werde diese Zeit nie in meinem Leben vergessen.

DHB: Was kam nach den Großbaustellen?

Andreas Lagansky: Nachdem ich bei der NVA anderthalb Jahre Brückenpontons hin- und hergefahren hatte, begann ich in einem Sägewerk, einen Job, den ich 10 Jahre lang mit viel Freude machte. Dann kam die Wende und das Aus für das Sägewerk. Es folgten Arbeitslosigkeit und Warteschleife. Dann bekam ich einen Job in einer Dachbaufirma. Dort arbeitete ich drei Jahre und machte neben dem Beruf meinen Zimmerer-Meister. Damals hörte ich das erste Mal etwas vom „Schiften“. Das war eine harte Zeit. Aber in dieser Zeit wurde die Weiche für mein weiteres berufliches Leben gestellt.

DHB: Sie wurden vom Leiter des ÜAZ angesprochen, ob Sie sich eine Arbeit als Ausbilder vorstellen könnten…

Andreas Lagansky: Genau. Ich war damals 33 und sagte Ja. Meine Kollegen in der Baufirma zeigten mir einen Vogel und meinten, die Jugend von heute, die macht dich doch fertig. Aber meine Frau hat gelacht und gesagt: Ach weeßte, zurück kannste immer noch.

“Als Autodidakt das Programmieren beigebracht” 

Andreas Lagansky mit Lehrlingen
Andreas Lagansky mit Lehrlingen

DHB: Wie kam es dazu, dass Sie sich als Autodidakt das Programmieren beibrachten?

Andreas Lagansky: Um so etwas hinzubekommen wie mein Meisterstück, brauchen sie ein versiertes räumliches Vorstellungsvermögen. Sie müssen sozusagen in 3-D denken können. Gerade das ist eine Fähigkeit, die kaum einer der jungen Leute besitzt, die in unsere Ausbildung kommen. Die Frage war für mich als Ausbilder also: Wie kann ich den jungen Leuten helfen?

DHB: Und da entdeckten sie die Digitalisierung für sich?

Andreas Lagansky: So kann man das sagen. Ich fragte mich, es muss doch eine Möglichkeit geben, den jungen Leuten das, was ich mir mühsam aus Büchern erarbeiten musste in wesentlich einfacherer Form zu erklären und dabei das räumliche Vorstellungsvermögen zu trainieren. Ich Entstanden ist eine Software, die die Ausbildung für das „Schiften“ enorm vereinfachte und bis heute von meinen Lehrlingen und Meisterschülern aus Ost und West mit Begeisterung benutzt wird. Das Bundeskompetenzzentrum (welches ?) hat nichts Vergleichbares.

DHB: Wie kommt das?

Andreas Lagansky: In der Berufsausbildung in Deutschland gibt es bis heute kein System, solche Initiativen bundesweit nutzbar zu machen und entsprechendes Engagement von Ausbildern zu fördern. Wenn ich in Rente gehe, wird das Programm nicht weiterentwickelt und als Ausbildungshilfe für Lehrlinge und Meisterschüler verschwinden und mit ihm das Ergebnis von 12 Jahren Entwicklungsarbeit.

DHB: Was würden Sie sich wünschen?

Andreas Lagansky: Wie im Bereich der Privatwirtschaft wird es auch im Bereich der Ausbildung unumgänglich Instrumente zu schaffen, die Anreize zur Entwicklung von modernen Ausbildungsprogrammen setzen und entsprechende Initiativen unterstützen. Es gibt keinen bundesweiten Wettbewerb, in dem man etwa spezielles Know-how von Berufsausbildern popularisiert. Es gibt im Bereich der Ausbildung keine Risikokapitalgeber, wenn es um die Entwicklung neuer Ausbildungsmaterialien geht. Ich habe das bundesweit erste digitale Ausbildungsprogramm für das „Schiften“ privat entwickeln und finanzieren müssen bis hin zum Erwerb bestimmter Lizenzen. Das, was in diesem Programm erklärt wird, steht in keinem einzigen deutschen Lehrbuch für das Zimmererhandwerk.

“Unsere Gesellschaft verliert ihre praktischen Fähigkeiten” 

DHB: Sie sind seit 28 Jahren Ausbilder. Was ist für Sie die signifikanteste Veränderung dieser Zeit?

Andreas Lagansky: Ganz klar, die mit der technischen und digitalen Entwicklung einhergehende geringere Wertschätzung produzierender körperlicher Arbeit. Ich könnte es auch anders ausdrücken: als stetig wachsende Geringschätzung des Werts körperlicher Arbeit. Heute reden wir von einer Wissensgesellschaft.

DHB: Was stört Sie daran?

Andreas Lagansky: Gar nichts. Die Frage ist: Welches Wissen brauchen wir wirklich. Was nützt uns eine Gesellschaft des Wissens, wenn diese Gesellschaft schon bald nicht mehr in der Lage sein wird, ihr Wissen in Produkte umzusetzen, weil sie zwar weiß, aber den jungen Generationen wichtige praktische Fähigkeiten verloren gegangen sind. Denn nur damit kann man am Ende Produkte herstellen. Natürlich ist auch ein Computerspiel, eine virtuelle Welt, ein Produkt. Nur kannst du in dieser Welt kein Brot backen, das du auch essen, keinen Dachstuhl zimmern, den du auf dein Haus setzen kannst.

DHB: Was bedeutet der von Ihnen beklagte Verlust praktischer Fähigkeiten?

Andreas Lagansky: Für mich hat er inzwischen ein Ausmaß erreicht, der den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet. Denn wenn in Zukunft immer weniger junge Menschen den Wohlstand der Gesellschaft aufrechterhalten müssen, fällt der Verlust solcher Fähigkeiten weitaus mehr ins Gewicht als früher. Mit einer Wischbewegung auf dem Display eines Mobiltelefons lässt sich eben kein Fundament gießen und kein Nagel im Holz versenken. Aber jeder möchte ein Haus über dem Kopf.

DHB: Was genau beobachten Sie in dieser Hinsicht in Ihrer Arbeit als Ausbilder?

Andreas Lagansky: Wie in anderen Berufen, gibt es auch im Handwerk zunehmend  Quereinsteiger. Ich habe also Menschen bei mir in der Ausbildung, die von ihren Eltern immer gesagt bekamen, dass sie nur etwas werden können, wenn sie studieren. Und plötzlich machen sie die Erfahrung, dass es für ein Studium doch nicht reicht und die sich dann doch für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden. Oft steigen solche Quereinsteiger in das 2. Lehrjahr ein. Das sind junge Leute, die sehr gut denken können, denen aber oft die motorischen Fähigkeiten für einen Handwerksberuf fehlen. Das Spannende daran ist nun, dass diese Menschen sich diese notwendigen Fähigkeiten sehr schnell aneignen und schon nach einem Jahr die Lehrlinge, die mit dem 1. Lehrjahr begonnen haben ein- und überholen.

DHB: Was sagt Ihnen das?

Andreas Lagansky: Das wir uns mehr um Studienabbrecher oder mit dem Studium unzufriedene Studentinnen und Studenten kümmern sollten. Und das wir, verdammt noch mal, die Vermittlung praktischer Fähigkeit in der Schule zu einer Pflichtaufgabe machen – und zwar von der ersten bis zu zwölften Klasse. Das darf aber nicht mehr zehn Jahre dauern. Dann ist es zu spät.

DHB: Haben Sie versucht, die Liebe zum Holz an Ihre eigenen Kinder weiterzugeben?

Andreas Lagansky: Versucht schon. Aber wenn man es sich genau besieht, dann sind die Kinder die meiste Zeit gar nicht im Elternhaus, sondern in der Schule. Und wenn die Kinder aus der Schule kommen, sind die Eltern oft noch nicht von der Arbeit zurück. Also konkurriert das Elternvorbild immer mit anderen Vorbildern. Und so haben die Drei sich für ganz andere Dinge interessiert und andere Wege eingeschlagen. Das ist in Ordnung.

Interview: Mirko Schwanitz

Andreas Lagansky mit dem Wanderstock eines Wandergesellen
Andreas Lagansky mit dem Stock eines Wandergesellen

Mirko Schwanitz

PR-Redakteur

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Vor 60 Jahren gründete Kai Jacobis Vater die Jacko-Werft in Dolgenbrodt. Warum er sein erstes Schiff komplett aus Schrott bauen musste, wieso er mit seinem Unternehmen nach Philadelphia zog, welche Pläne er hat und wie man ihn am neuen Standort empfangen hat, darüber geben Kai Jacobi und sein Mitgesellschafter, Marcus Börne Auskunft.

DHB: Herr Jacobi, vor mehr als einem halben Jahrhundert gründete ihr Vater die Jacko-Werft in Dolgenbrodt. Warum der Umzug ins beschauliche Philadelphia?

Kai Jacobi (lacht): Weil der Name gut bei amerikanischen Kunden ankommt. Nein, natürlich war das nicht der Grund. Dolgenbrodt liegt an der Dahme. Das Gelände, auf dem die Werft meines Vaters lag, war nur gepachtet. Schon bei der letzten Verlängerung gab es Probleme. Es war abzusehen, dass der Druck von Investoren auf den Grundstücksbesitzer dort wachsen würde. Ich wollte nicht eines Tages ohne Betriebsgelände dastehen.

DHB: Und haben dann dieses Gelände hier gefunden?

Kai Jacobi: Nicht ich, sondern mein Mitgesellschafter Marcus Börner. Ich wollte nicht alleine den Neuanfang wagen, denn das Gelände ist recht groß. Dafür aber auch das Entwicklungspotential. Es war nicht ganz einfach, dieses Gelände in Philadelphia zu erwerben. Denn nachdem die Treuhand das Grundstück veräußert hatte gab es diverse Eigentümer. Wir haben es   von einem englischen Investor mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten erworben.

DHB: Und der hat alles hier verfallen lassen?

Marcus Börner: Für eine Werft ist es natürlich wichtig, ein Grundstück mit Wasserzugang und einer Verbindung zum bundesdeutschen Wasserstraßensystem zu haben. Ich komme aus der Gegend und kannte das Areal. Es ist das Gelände des einstigen Kreisbetriebes für Landtechnik. Es gab also ein paar Hallen, einige Nebengebäude und ein völlig verfallenes Gutshaus. Aber das Grundstück lag am Storkower Kanal und bot genug Platz für den Neubau und die Reparatur von Yachten und Hausbooten. Und das war genau das, was die Jacko-Werft seit nunmehr mehr als 60 Jahren erfolgreich macht.

DHB: Herr Jacobi, die Werft feiert in diesem Jahr genau dieses Jubiläum. Wie hat den alles angefangen?

Kai Jacobi: Mein Vater war Stahl-Bootsbaumeister. Kurz vor dem Mauerbau war der Besitzer einer Yachtwerft aus Dolgenbrodt in den Westen geflohen und hatte fast alles mitgenommen. Maschinen, sogar Material. Mein Vater hat sich dann um das Gelände beworben und den Zuschlag bekommen.

DHB: Das war mutig. Die DDR hatte mit Privatfirmen nicht viel am Hut…

Kai Jacobi: Sie brauchte aber 1961 noch Fachleute auch in dieser Branche. Die meisten waren geflohen. Und auf den Binnenwasserstraßen waren je noch genug alte Kähne unterwegs, die repariert werden mussten. Holzbootbauer gab es einige, aber Stahlbootbauer wie mein Vater waren rar. Er hielt sich zunächst mit der Reparatur von Fischerbooten über Wasser.

„Mit 18 baute ich mein erstes Boot – komplett aus Schrott“

DHB: Und wechselte dann in den Yachtbau?

Kai Jacobi: Das kam nach und nach und automatisch. Denn natürlich hatten viele kleine Yachten und Boote den Krieg überlebt, wechselten ihre Besitzer und hatten Reparaturen dringend nötig. Außerdem gab es immer Funktionäre, gut verdienende Künstler und Handwerker, die sich schon damals ein Boot leisten konnten. Oder sogar einen Neubau in Auftrag gaben. Hauptsächlich wurden Rümpfe des Konstruktionsbüros Manfred Ernst hergestellt, zusätzlich hat mein Vater zwei Rümpfe nach eigenen Entwürfen gebaut. 280 Schiffe wurden bis zur Wende auf der Werft meines Vaters hergestellt.

DHB: Sie sind also zwischen Booten aufgewachsen?

Kai Jacobi: Ich durfte überall hin, sah beim Spachteln zu, beim Schweißen, beim Bleche zuschneiden. Schon früh zeigte mir mein Vater, wie man ein Schiff konstruiert und wie man eines baut. Der Geruch heißen Metalls, das Geräusch von Blechsägen, die Freude beim Stapellauf, die Dankbarkeit der Kunden – ich bin damit großgeworden.

DHB: Haben dann aber den väterlichen Betrieb verlassen?

Kai Jacobi: Zunächst erst einmal nur für die Lehrzeit. Ich ging nach Rostock, um den Beruf des Stahl-Schiffbauers mit Abitur von der Pike auf zu erlernen. Ich wollte natürlich auch wissen, wie das ist, mal so ein richtig großes Schiff zu bauen. Ich erinnere mich noch an meine Gänsehaut, als ich beim ersten Stapellauf eines Hochseeschiffs dabei war. Damals hatte ich auch noch ein Schiffbau-Studium im Hinterkopf.

DHB: Das sie dann aber nicht gemacht haben.

Kai Jacobi: Nein. Es war auch nicht klar, ob ich überhaupt zum Studium zugelassen worden wäre. Meiner Schwester jedenfalls war das Studium als „Kapitalistenkind“ verwehrt worden. Nach der Lehre bin ich zurück auf die Werft des Vaters. Dort baute ich mit 18 mein erstes eigenes Boot – komplett aus Schrott.

DHB: Aus Schrott?

Kai Jacobi: Die DDR war wirtschaftlich am Ende. Es fehlte an allem. Es gab keine Bleche, keinen Stahl. Für die Reling meines Bootes besorgte ich mir Nirosta-Stahlrohre, die in einem Lausitzer Kraftwerk ausgemustert worden waren. Außerdem hatte jeder Betrieb in der DDR ein Schrottkontingent zu erfüllen. Was dazu führte, dass Betriebe auch nagelneues Metall, das nicht sofort gebraucht wurde, zu Schrott umdeklarierten. Als Handwerker in der DDR musstest du unheimlich gut vernetzt sein, um rechtzeitig zu erfahren, wo welches Material zu holen war.

DHB: Wie überlebte die Werft die Wende? Plötzlich konnte man auf dem Gebrauchtboote-Markt jedes Schiff erwerben…

Kai Jacobi: Die Wende erlebte sich schon in Westberlin. Ich war über Ungarn abgehauen und hatte auf einer Westberliner Werft in Spandau angeheuert. Mit Schmerzen sah ich von Weitem, wie meinem Vater von einem Tag auf den anderen alle Aufträge wegbrachen. Ein Auftrag der Marina Lanke rettete das Unternehmen. Mein Vater durfte die Charter-Flotte für die Marina bauen. Damit konnte er zwar keinen großen Gewinn machen, musste aber wenigstens den Betrieb nicht schließen.

Yachtbau und Tourismus auf einem Gelände – das wäre neu in der Region

DHB: Und wann sind sie wieder in den väterlichen Betrieb zurückgekehrt?

Kai Jacobi: Als klar war, dass mein Vater, mein Gehalt bezahlen konnte. Nach und nach ging es dann wieder aufwärts, vor allem mit Einsetzen des boomenden Hausboote-Marktes. Da war Stahlschiffsbau für den Unterbau wieder sehr gefragt. Und so viele Unternehmen gibt es da in der Region nicht.

DHB: 2016 zogen Sie dann mit Ihrer Werft und einem „halben“ Mitarbeiter nach Philadelphia?

Kai Jacobi: Ja. Und inzwischen sind wir bereits auf 12 Mitarbeiter gewachsen. Es könnten bereits mehr sein. Aber der ausgedünnte, oder sollte ich sagen nichtexistente Fachkräftemarkt, setzt dem Wachstum Grenzen. Und zwingt auch die Werft, sich gewissermaßen neu zu erfinden.

DHB: Wie meinen Sie das?

Marcus Börner: In Brandenburg versierte und gut ausgebildete Metallbauer zu finden gleicht der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Nach Stahlbootsbauern brauchen sie gar nicht erst zu suchen. Die gibt’s vielleicht noch an der Küste. Aber nicht hier. Wenn Sie aber nur einen oder zwei versierte Stahlschiffsbauer in der Firma haben, müssen sie überlegen, ob sie mit Stahlyachtbau weitermachen können. Oder ob sie sich anderweitig spezialisieren müssen.

DHB: Es werden also keine kompletten Yachten mehr gebaut?

Marcus Börner: Nur in Kooperation mit anderen Partnern des Handwerks. In den letzten Jahren haben wir die Digitalisierung vorangetrieben und uns auf Katamaran- und Trimaranunterbauten spezialisiert. Auf Wunsch bauen wir aber auch Einrumpfschiffskörper. Bei den Aufbauten können wir dank der Digitalisierung heute sehr gut mit Partnern kooperieren. In der Regel ist es heute so, dass Firmen bei uns die Rümpfe bestellen.

Kai Jacobi: Aber natürlich möchten wir das Segment Stahlbauyacht- und Motorenreparatur weiter ausbauen. Dazu haben wir die Fachleute – und auch das Gelände.

DHB: Die Jackowerft hat für das Gelände des einstigen Kreisbetriebes für Landtechnik auch ein bisher einzigartiges Konzept vorgelegt.

Marcus Börner: Schauen Sie sich um. Das Gelände ist riesig. Es muss entwickelt werden, denn seit der Wende ist hier nicht allzuviel geschehen. Doch was tun mit den Hallen, den Flächen, den verfallenen Nebengebäuden? All das muss man einer der Landschaft angepassten Metamorphose unterziehen, es also aus dem Dornröschenschlaf erwecken.

DHB: Dornröschen wurde von einem Prinzen wachgeküsst. Es ist aber was es ist – ein Märchen…

Marcus Börner: Damit die Entwicklung dieses Areals Wirklichkeit werden kann, müssen viele Partner an einem Strang ziehen. Die Pläne jedenfalls sind da.

DHB: Wie sehen die aus?

Marcus Börner: Wir wollen unsere Tätigkeit als Yachtbau- und Yachtreparaturserviceunternehmen mit einer touristischen Komponente verbinden. Ein kleiner Hafen für vier bis sechs Boote soll entstehen. Er würde uns das bequemere Einsetzen gebauter bzw. reparierter Schiffe ermöglichen. Auf einer großen Wiese hinter den Betriebshallen, möchten wir einen Wasserwanderer-Rastplatz und Caravan-Stellplatz gestalten. Dafür soll ein altes Nebengebäude, in dem sich der alte Sanitärtrakt des KFL befindet, komplett saniert werden. So entstünde ein mögliches Nebeneinander zwischen Tourismus und Wirtschaft. Ähnlich einer gläsernen Bäckerei oder Molkerei, könnten dann Gäste bei uns beobachten, wie das eine oder andere Schiff entsteht oder repariert wird, soweit es sich im Außenbereich und nicht in den Hallen befindet.

Ein Betriebsgelände, das auf geheimnisvolle Weise von den Karten verschwand

DHB: Sie sind mit diesen Plänen hergekommen, haben sie 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt. Was hat sich seitdem getan?

Kai Jacobi: Als wir das Gelände kauften, gab es eine Stellungnahme des zuständigen Bauamtsleiters, dass auf dem Betrieb einer Schiffswerft auf diesem Gelände nichts entgegensteht. Tatsächlich gab es hier vor uns bereits längere Zeit einen Metallbaubetrieb, der z.B. Container herstellte. Die zuständige Stadt Storkow macht es uns allerdings nicht gerade einfach, dieses Gebiet zu entwickeln.

DHB: Inwiefern?

Marcus Börner:  Der Teufel steckt im Detail. Nach dem Kauf des Geländes von einem in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebenden englischen Investor, stellten wir einen Bauantrag für eine neue Halle. Plötzlich stellte sich heraus, dass unser Gelände hier planungsrechtlich gar nicht existiert.

DHB: Wie das?

Marcus Börner: Das Gelände, so erklärte man uns, sei bei der Landesplanung Berlin-Brandenburg schlicht „vergessen“ worden. Auf den Karten ist es als unbebaut eingezeichnet, eine Nutzung ist nicht ausgewiesen. Die Bauanfrage wurde mit der Begründung abgelehnt: „Ihr Gelände ist in unseren Karten nicht enthalten.“ Aber natürlich wusste jeder, der mit dieser Antwort an uns zu tun hatte, dass das Gelände immer bebaut war, denn hier war der Kreisbetrieb für Landtechnik. Und um diesen Betrieb hat sich dann der Ort Philadelphia entwickelt.

DHB: Und wie ging es seitdem weiter?

Kai Jacobi: Sehen Sie, wir haben in den Jahren, seitdem wir hier sind, 12 Arbeitsplätze geschaffen und volle Auftragsbücher. Gleichzeitig aber haben wir das Gefühl, dass wir uns hier in einer Art Ping-Pong-Spiel befinden. Die zuständige Gemeindeverwaltung verlangte von uns, dass wir uns zunächst mit dem Ortsbeirat von Philadelphia über die Entwicklungspläne für das Gelände verständigen. Der Ortsbeirat verweigerte uns aber eine Vorstellung der Entwicklungspläne, um so eine öffentliche Stellungnahme zu umgehen.

Marcus Börner: Unsere einzige Möglichkeit, hier einen Schritt voranzukommen, war dann eine öffentliche Präsentation. Es war die einzige Möglichkeit für uns, den Ortsbeirat zu einer Stellungnahme zu bewegen. Die war leider negativ.

Kai Jacobi: Und damit war die Sache dann auch für den Stadtverordnetenversammlung von Storkow erledigt. Wir dürfen bisher weder die für das Wachstum unserer Firma notwendige Produktionshalle errichten, noch eine beantragte zweite Zufahrt auf unser Betriebsgelände errichten. Diese Straße, die schon seit Jahrzehnten öffentlich genutzt wird, ist laut Aussagen der Gemeinde aber keine „öffentlich gewidmete“ Straße, weswegen man uns auch hier den Bau einer neuen Halle untersagte. Der wäre aber notwendig, um einen Teil des Betriebsgeländes für die touristische Nutzung zu erschließen.

DHB: Vielleicht haben sie Sorgen, dass die Lärmbelastungen, die auf einer Schiffswerft entstehen einer touristischen Nutzung abträglich sind?

Marcus Börner: Wir sind uns dieser Sorgen bewusst. Aber wir sind keine Großwerft. Es wurden bereits Lärmschutzgutachten beauftragt, und über 50 öffentliche Messungen initiiert. Die Ergebnisse lagen immer unter den zulässigen Grenzwerten.

Kai Jacobi:  Wir schöpften Hoffnung. Denn die Stadt teilte uns daraufhin mit, dass sie einen städtischen Bebauungsplan erstellen wolle und fragte an, ob die Firma die damit verbundenen Kosten von ca. 28 000 Euro übernehmen würde.

„Wir wollen um diesen Standort kämpfen“

DHB: Und? Haben Sie?

Marcus Börner: Wir waren grundsätzlich bereit dazu, wollten aber zunächst den Entwurf sehen, damit wir wissen, was wir da bezahlen. Wir bekamen den Entwurf und was wir dort sahen, verschlug uns die Sprache.

DHB: Wieso?

Marcus Börner: In dem Entwurf waren die zulässigen Lärmemissionen willkürlich unter die gesetzlichen Werte gesetzt. Und zwar so, dass unsere Firma quasi für ihre eigene Betriebsschließung mit 28 000 Euro zahlen sollte.

DHB: Wie geht es nun weiter?

Marcus Börner: Ein Nachbar initiierte freundlicherweise eine „Kleine Anfrage“ im Landtag. Das könnte uns helfen, denn plötzlich wird alles noch einmal sehr genau geprüft. Und wir hoffen, dass das Ergebnis dazu führt, dass die Gemeinde endlich ihrer gesetzlichen Planungsverpflichtung nachkommt.

DHB: Wie soll sich die Werft unter solchen Umständen entwickeln?

Kai Jacobi: Unser Betrieb ist auf 12 Mitarbeiter gewachsen. Und wenn der Fachkräftemarkt nicht so ausgedünnt wäre, dass wir teilweise schon auf teure Werkvertragsarbeiter zurückgreifen müssten, wäre unser Team vermutlich noch etwas größer.

Marcus Börner: Wir entwickeln uns also trotz aller Probleme kontinuierlich. Bevor die Werft von Dolgenbrodt hierher zog, wurden dort 280 Schiffe gebaut. Wir wollen hier aber keine kompletten Schiffe mehr bauen, sondern uns auf Rumpfstahlbau spezialisieren und beim Ausbau mit anderen Firmen kooperieren.

DHB: Wie hat sich der Umsatz entwickelt?

Marcus Börner: Trotz Corona kratzten wir im vergangenen Jahr an der Millionen-Marke. Auch in diesem Jahr sieht es gut aus. Wir wachsen dank Digitalisierung und Innovation.

DHB: Wie sieht das genau aus?

Marcus Börner: Dank der Digitalisierung können wir besser mit Partnern kooperieren. Außerdem haben wir eine Rumpfsystem entwickelt, das es ermöglicht, Rümpfe erst vor Ort zusammenzusetzen. Das heißt, es braucht keine teuren Lasttransporte von Schiffen mehr. Dank dieser Innovation haben wir inzwischen Anfragen aus der ganzen Bundesrepublik, aus dem Ruhrgebiet etwa oder dem Münsterland. Und erst vor kurzem haben wir in der Lausitz ein Konferenzschiff auf einer Trimaran-Rumpfbasis und einem Gesamtgewicht von ca. 43 Tonnen übergeben.

DHB: Klingt, als würden sie gern in Philadelphia bleiben.

Marcus Börner: Ja, wir wollen um diesen Standort kämpfen.

Als vorbildliches Ausbildungsunternehmen setzte die Mark-A. Krüger Bauunternehmung GmbH schon früh gegen den Trend auf festangestellte und selbst ausgebildete Mitarbeiter

DHB: Herr Krüger, wir sitzen hier in Bernau im Krügerhaus. Dar Name prangt auch draußen auf dem Putz.

Mark-André Krüger: Mein Bruder und ich haben das Gebäude 2007 erworben. Es war völlig heruntergekommen. Heute ist es ein Schmuckstück. Schlicht, mit sehr zurückgenommener historische Putzfarbe und einem in ganz Bernau bekannten Café. Der Vorschlag, dem Haus einen Namen zu geben, kam nicht von uns, sondern von einer Mitarbeiterin. Wir haben lange überlegt, ob wir das machen sollen. Haben uns dann aber doch dafür entschieden, weil so ein Name auch ein Fixpunkt für die Stadt wird: Treffen wir uns im Krügerhaus auf einen Kaffee? Jeder Bernauer weiß inzwischen, wo er dann hin muss. Dass der Name etwas mit uns zu tun hat, wissen hingegen nur wenige.

DHB: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an dem Schriftzug heute vorbeigehen?

Mark-André Krüger: Eigentlich sehe ich ihn gar nicht mehr. Und wenn doch, dann denke ich oft daran, wie ich angefangen habe.

DHB: Wie haben Sie denn angefangen?

Mark-André Krüger: Ganz klassisch. Als Maurer. Mein Großvater war auch schon Maurer. Meine berufliche Laufbahn startete ich dann beim BMK Fürstenwalde. 1994 ging ich zur Bauunternehmung Bail in Berlin-Reinickendorf. Bis 2000 war ich dort Bauleiter und lernte alle Höhen und Tiefen des Berliner Baumarktes kennen. Dann wurde mir die Geschäftsführung einer Außenstelle in Wriezen angeboten. 2004 übernahm ich das Unternehmen. Also: Häuser bauen zu können, fand ich schon von Jugend an faszinierend. Häuser konstruieren zu können, sogar noch mehr.

„Wir stellten uns gegen den allgemeinen Trend“

DHB: Weswegen sie ein Ingenieurstudium auf die Maurerausbildung gesattelt haben…

Mark-André Krüger: Ja. Ohne das hätte ich die Geschäftsführung der Außenstelle der Bail Bauunternehmung GmbH in Wriezen sicher nicht angetragen bekommen. Wie gesagt, 2004 übernahm ich dieses Unternehmen. 2005 wurde es Mark-A. Krüger Bauunternehmung GmbH umbenannt. Damals startete ich mit 16 Mitarbeitern.

DHB: Denen sie dann eine neue Unternehmensphilosophie verkündet haben…

Mark-André Krüger: Die haben ziemlich ungläubig geguckt, als ich mich vor ihnen aufbaute und von meinen Zielen sprach. Manche schüttelten sogar ungläubig den Kopf.

DHB: Hatten die Mitarbeiter denn einen Anlass, ungläubig zu sein?

Mark-André Krüger: Durchaus. Das war eine Zeit, in der viele Baufirmen auf Subunternehmer setzten und auf den Baustellen Kolonnen auch zu Dumping-Löhnen beschäftigt wurden. Und da stelle ich mich hin und erzähle, dass wir in Zukunft auf festangestellte Mitarbeiter setzen und eine eigene Corporate Identity z.B. mit moderner einheitlicher Arbeitskleidung schaffen und in Zukunft auch selbst ausbilden wollen.

DHB: Wäre doch ein Anlass, sich zu freuen?

Mark-André Krüger: Klar. Aber damals dachten einige wahrscheinlich: Daran geht das Unternehmen pleite. Damit könne es am Markt nicht bestehen. Die Baukonjunktur war zu dieser Zeit so, dass viele nicht an eine Zukunft mit festangestellten Mitarbeitern glaubten.

DHB: Es kam anders.

Kathrin Krüger: Es war zweifellos mutig. Und gegen den allgemeinen Trend. Aber irgendwie spürten wir, dass eine Firmenkultur, die auf gute Mitarbeiter setzt, sie ordentlich behandelt und bezahlt, und keine Jeder-ist-ersetzbar-Politik des Heuerns und Feuerns betreibt, sich langfristig auszahlen wird. Natürlich muss man einen langen Atem haben…

Mark-André Krüger: Apropos langer Atem. Damals hatte ich mir vorgenommen, so zu wirtschaften, dass ich für jeden meiner Mitarbeiter immer zwei Monatsgehälter auf dem Konto habe. Heute sind es pro Mitarbeiter wesentlich mehr.

„Mund zu Mund Propaganda ist ein bewährtes Mittel bei der Azubi-Suche“

DHB: Wann merkten sie, dass Ihre Firmenphilosophie aufzugehen begann?

Mark-André Krüger: Als wir genau deswegen Folgeaufträge bekamen. Unsere Leute waren sichtbar. Es waren immer dieselben. Sie sprachen deutsch. Man konnte sich mit ihnen verständigen und sie lieferten Qualität. Das alles ist heutzutage auf Großbaustellen leider nicht mehr selbstverständlich.

DHB: Haben Sie von Beginn an ausgebildet?

Mark-André Krüger: Die Bereitschaft war von Beginn an vorhanden. Aber eine wirkliche Strategie hatten wir anfangs nicht…

Kathrin Krüger:  … aber eine Idee. Wir wollten intern ein Firmenklima zu schaffen, das qualifizierte Mitarbeiter zum Bleiben animiert und junge Leute anzieht. Es sollte sich rumsprechen, dass wir ein gut bezahlender Arbeitgeber sind, der sich um seine Leute kümmert. Besonders um die Auszubildenden.

DHB: Hat das funktioniert?

Mark-André Krüger:  Als ich die Firma als geschäftsführender Gesellschafter übernahm, war die Situation auf dem Ausbildungsmarkt noch nicht so schwierig wie heute. Die Idee, auf Empfehlungen und Mund-zu-Mund-Propaganda zu setzen, hat sich – zumindest bei uns – bewährt.

Kathrin Krüger: Wir nahmen eine Zeit lang auch an Berufsmessen teil, stellten aber fest, dass da überhaupt kein Rücklauf war. Weil wir aber wussten, dass die Situation noch schwieriger werden würde, haben wir mit Andreas Gersdorf in unserem Unternehmen früh einen Ausbildungsbeauftragten eingesetzt.

„Wir ahnten nicht, was wir unserem Ausbilder zumuteten“

DHB: Herr Gersdorf, welche Qualifizierungen bringen Sie für diese Arbeit mit?

Andreas Gersdorf: Ich habe eine Ausbildung zum Mauer und Fliesenleger mit der Qualifikation Geprüfter Polier im Bereich Hochbau. Mit diesem Abschluss kann ich mich auch als Industriemeister bezeichnen. Außerdem war ich bereits als Ausbilder im einstigen Ausbildungszentrum der Handwerkskammer in Wriezen tätig. Danach bin ich in das Unternehmen eingestiegen, in dem Herr Krüger bereits Geschäftsführer war und führte zunächst eine Poliertätigkeit aus.

Mark-André Krüger: Wir merkten, dass nicht nur die Gewinnung von Auszubildenden schwieriger, sondern auch, dass ihre Betreuung immer aufwändiger wurde. Unser Anspruch ist es, uns von anderen Bauunternehmen zu unterscheiden. Deswegen führte auch kein Weg daran vorbei, intern einen deutlichen Qualitätssprung bei der Ausbildung anzustreben. Uns wurde klar, wenn wir da nicht mehr Anstrengungen unternehmen, würden wir in ein paar Jahren Probleme bekommen. Wir sahen uns also im eigenen Unternehmen um. Wer kam für eine solch wichtige Aufgabe in Frage?

Kathrin Krüger: Für uns war es natürlich ein mehrfacher Glücksfall, dass wir mit Herrn Gersdorf einen Praktiker in der Firma mit Ausbildererfahrung hatten. Aber ich gestehe, wir ahnten damals nicht, was wir ihm da zumuteten…

DHB: Was hat man ihnen denn zugemutet, Herr Gersdorf?

Andreas Gersdorf:  Das ich neben meiner Arbeit als Arbeitsschutzbeauftragter und Leiter des Firmenfuhrparks bald alles sein würde: Ausbilder, Kummerkasten, Seelsorger, Problemlöser, Formularausfüller und Nachwuchssuchender. Außerdem arbeite ich eng mit den Schulen zusammen und halte den Kontakt mit den Ausbildern dort.

DHB: Welche Funktion nimmt denn die meiste Zeit in Anspruch?

Andreas Gersdorf: Ganz klar die des Seelsorgers. Wir haben es auf dem Bau oft mit jungen Leuten zu tun, die nicht immer aus geordneten Verhältnissen kommen, die von ihren Eltern oder der Schule nicht immer auf das richtige Gleis gesetzt wurden. Denen niemand gesagt hat, dass man für sein Einkommen manchmal früh aufstehen und schwere Steine schleppen muss. Die erst auf der Baustelle begreifen, dass man mit einer Spiele-App keine Häuser bauen kann.

Kathrin Krüger: … und die manchmal durch private Ereignisse völlig aus der Bahn geworfen werden. Dem einen ist die Freundin abhandengekommen. Bei dem anderen stimmt irgendetwas im Elternhaus nicht. Wir versuchen, uns um jeden einzelnen zu kümmern, ihm Stabilität zu geben.

Mark-André Krüger: Wir haben sogar schon mal einen Azubi eine Weile privat betreut…

Andreas Gersdorf: Es ist definitiv so, dass mit Ausnahme der dualen Studenten, die wir auch in der Ausbildung haben, viele der 17 Lehrlinge, die wir bisher im Unternehmen hatten, sehr intensiv betreut werden mussten. Und zur Wahrheit gehört auch, dass am Ende nur wenige von ihnen im Unternehmen geblieben sind.

„Wenn einen Azubi etwas bedrückt, geht bei mir die Rundumleuchte an“

DHB: Frustriert sie das?

Andreas Gersdorf: Ich würde lügen, wenn ich jetzt nein sagen würde. Natürlich tut es das. Aber was ist im Sinne des Unternehmens die Alternative. Der Fachkräftemarkt ist leergefegt. Gerade in der Baubranche gleicht die Suche nach zuverlässigen Mitarbeitern der nach dem sprichwörtlichen Goldstaub. Und daher denke ich, dass das Heranbilden von Nachwuchs und das gleichzeitige ‚Heranbinden‘ an die Firma eine absolut wichtige Zukunftsaufgabe ist. Dafür gibt es sehr positive Beispiele. So konnten wir in diesem Jahr zum Beispiel eine Bauleiterposition für ein ambitioniertes Projekt in Berlin mit einem jungen Mann besetzen, der bei uns als Azubi begann, dann erfolgreich die Polierschule durchlaufen und sich auf der Abendschule zum Bautechniker fortgebildet hat.

DHB: Wie macht man das, gleichzeitig Verantwortlicher für Arbeitsschutz, Leiter des Firmenfuhrparks, Ausbilder und als solcher auch noch Seelsorger zu sein? Wie funktioniert so etwas in der Praxis?

Andreas Gersdorf:  Wichtig ist die Vernetzung mit allen Mitarbeitern, die mit den Lehrlingen auf den Baustellen sind. Die haben immer ein Auge auf unsere Azubis. Sobald die der Meinung sind, dass die jungen Leute irgendwas bedrückt, geht bei mir die ‚Rundumleuchte‘ an. Dann düse ich los und versuche sofort mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Was ist los? Wie können wir dir helfen? Ich fahre auch zu den Schulen und pflege dort Kontakt mit den Ausbildern.

DHB: Welche Perspektiven haben denn junge Leute in Ihrem Unternehmen?

Mark-André Krüger: Unser Unternehmen ist als Holding organisiert. Unter dieser arbeiten zwei leistungsfähige Bauunternehmen für den Rohbau und den Schlüsselfertigbereich. Unser Jahresumsatz lag 2020 über 62 Mio Euro. Wir haben heute etwa 100 Mitarbeiter. Gleichzeitig haben wir in unserem Unternehmen auch noch andere Bereiche. Etwa unseren Immobilienbereich mit Projektentwicklung und Verwaltung. Oder den Bereich Arbeitsvorbereitung, die Kalkulationsabteilung, aber auch unseren Logistikstandort im Gewerbegebiet Bernau-Rehberge.  Es gibt innerhalb der Unternehmensgruppe also vielfältige Möglichkeiten sich weiterzuentwickeln. Wer sich weiterbilden oder innerhalb des Unternehmens neu orientieren möchte, der hat unsere volle Unterstützung.

Kathrin Krüger: Das ist uns wichtig. Die Potentiale unserer Mitarbeiter zu erkennen und zu fördern. Manche erkennen selbst nicht, was in ihnen steckt. Solche Mitarbeiter fühlen sich zuweilen unterfordert. Und das kann zu Unzufriedenheit führen und soweit gehen, dass die Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Und genau das wollen wir ja nicht. Man muss jeden Mitarbeiter im Blick haben.

Mark-André Krüger: Und so kann es passieren, dass wir einem Mitarbeiter sagen: Willst du nicht mal etwas anderes machen? Wir glauben, das könnte dir viel mehr liegen. Da bist du besser aufgehoben.

DHB: Was würde Ihnen die Arbeit mit den Lehrlingen erleichtern?

Kathrin Krüger: Ein signifikanter Abbau der Bürokratie. Leichter verständliche, in wesentlichen Punkten verbesserte, vor allem aber weniger Formulare. Sowohl für die Lehrlingsausbildung als auch für die Ausbildung von dualen Studenten. Ich meine, wir sind gut ausgebildet. Es kann doch nicht sein, dass selbst wir nicht verstehen, wie man die Formulare ausfüllen muss. Oder feststellen, dass die Formulare, den konkreten Fall eines einzustellenden Lehrlings nicht abbilden. Hier wünschen wir uns mehr Praxisnähe und weniger auszufüllendes Papier.

DHB: Worüber haben Sie sich in letzter Zeit besonders gefreut?

Kathrin Krüger: Über unseren Lehrling Ben Bernhardt. Der hatte bei einem internen Leistungswettbewerb des Berufsförderungswerkes Berlin und Brandenburg bei den Betonbauern mit einer komplizierten Verschalung den zweiten Platz erhalten. Sowas freut uns riesig.

Eine Ausbildungsmesse änderte ihr Leben. Rebecca Franke (22) will Friseurmeisterin werden. Im folgenden Interview spricht die 22jährige Gesellin über Barbies, Feuer unterm Hintern und darüber, warum Einfühlungsvermögen genauso wichtig ist wie eine scharfe Schere.

 

DHB: Frau Franke, manche Friseurin erzählte mir Barbie-Puppen seien für ihre Berufswahl verantwortlich. Wie war’s bei Ihnen?

Rebecca Franke: Genauso. Da können einige Leute noch so viel lästern. In den Barbies steckt eine Menge pädagogisches Potential.

DHB: Die Puppen wurden angegriffen, weil viele Mädchen eine Figur wie Barbie haben wollten, was aber in der Realität nur durch plastische Chirurgie zu erreichen wäre…

Rebecca Franke: Glauben Sie ernsthaft, dass sich kleine Mädchen darüber Gedanken machen. Nein, mich faszinierten immer nur die Haare. Was habe ich die malträtiert, gekämmt, gestylt, sogar gewaschen und gefönt.

DHB: Gefärbt auch?

Rebecca Franke: Klar. Aber nur Strähnchen. Ich hatte herausgefunden, dass sich Textmarker dafür hervorragend eignen.

DHB: Das heißt, die Barbies sind Schuld daran, dass Sie heute Friseurin sind.

Rebecca Franke (lacht): Könnte sein, dass damals etwas in mir geweckt wurde. Wenn, dann habe ich es jedenfalls erst spät wiederentdeckt.

DHB: Wieso?

Rebecca Franke: Wenn ich ehrlich bin, habe ich lange überhaupt nicht darüber nachgedacht, was ich einmal werden wollte. Und auch die Schulpraktika in der neunten Klasse und die Zukunftstage haben nichts bei mir klingeln lassen.

DHB: Wann klingelte es denn?

Rebecca Franke: Bei einer Ausbildungsmesse in Fürstenwalde. Handwerker hatten da ihre Stände aufgebaut. Ganz hinten in der Ecke gab es einen Friseur. Meine Beine blieben dort wie von selbst stehen und ich konnte meine Augen nicht mehr abwenden. Ich sah den Kamm durch schimmerndes Haar gleiten und glaubte das Klappern der Schere zu hören. Um mich herum war plötzlich alles wie ausgeschaltet.

„Ich hatte kein realistisches Bild von dem, was mich erwartete“

DHB: Haben Sie den Friseur angesprochen?

Rebecca Franke: Ich war damals ein anderer Mensch. Introvertiert. Ein scheues Reh, das im Urlaub lieber andere nach dem Weg fragen ließ. Kommunikation war überhaupt nicht meine Stärke. Ich komme aus einem kleinen Dorf. Also nein, ich hab mich das einfach nicht getraut.

DHB: Wie ging es weiter?

Rebecca Franke: Ich habe Dr. Google gefragt und ziemlich viel über den Beruf gelesen. Ich war 16 und hatte zum ersten Mal das Gefühl, das ist es, was ich will. Und als ich dann las, dass der Beruf viel mehr Facetten hat als Waschen, Schneiden, Färben, war mir dann schnell klar, dass ich das versuchen wollte.

DHB: Welche Facetten kannten sie nicht?

Rebecca Franke: Nun ja, dass es innerhalb des Berufsbildes viele Facetten gibt. Man kann sich spezialisieren auf Visagistik, auch auf Make up, man kann vieles machen in Richtung Theater- oder Filmfrisuren. Und nicht zuletzt kann man sich auch auf Perücken für Menschen mit Krebs oder Haarausfall spezialisieren, um ihnen zu helfen. Ich habe beim googeln das erste Mal verstanden, dass das nicht nur Handwerk, sondern wirklich eine Kunst ist.

DHB: Sie besuchten das Scholl-Gymnasium in Fürstenwalde. Sie hätten auch studieren können….

Rebecca Franke: Merkwürdigerweise hat mich das nie gereizt. Wenn mir etwas früh klar war, dann das: ich will nicht studieren. Aber einen Beruf, der kreativ ist. Schon als Kind habe ich gern gemalt, gebastelt, mich im stillen Kämmerlein mit Farben beschäftigt.

DHB: Waren Sie mit dem Wunsch einer Berufsausbildung eigentlich eine Außenseiterin in der Klasse?

Rebecca Franke: Mit dem Berufswunsch ja, aber nicht als Mensch. Für mich und meine Klassenkameradinnen und Klassenkameraden war eigentlich immer klar, jeder soll das machen, was möchte. Da gab es keine Kommentare. Rebecca will Friseurin werden – cool. Da hat sich keiner für etwas Besseres gehalten, nur weil er zum Studium angenommen wurde und ich „nur“ für eine Berufsausbildung.

DHB: Wie war denn die Ausbildung?

Rebecca Franke: Ich merkte ziemlich schnell, das wird eine echte Herausforderung. Und das wurde es dann auch. Noch heute denke ich darüber nach, warum von 22 Azubis, die mit mir begannen, 16 die Ausbildung abbrachen?

DHB: Und? Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Rebecca Franke: Ich glaube, wir hatten alle kein realistisches Bild von dem, was uns erwartete. Und wenn man kein realistisches Bild von Berufen hat, sondern vielleicht ein Klischee, eine veraltete Vorstellung, oder ein unrealistisches, weil einem bei der Berufsberatung nur von den Glanzseiten erzählt wurde, dann wählt man in der Schule vielleicht Fächer ab, die man später dann doch braucht. Ich z.B. hatte Chemie abgewählt und stand plötzlich vor dutzenden Haarfärbemitteln, Tönungen, Spülungen, Haartypen und sagte mir: So ein Mist! Ich hätte Chemie nicht abwählen sollen.

„Ich musste lernen, kein scheues Reh mehr zu sein“

DHB: Aber wie ließe sich da etwas ändern?

Rebecca Franke: Also wenn ich im Bildungssystem etwas zu sagen hätte, würde ich eine ganze Menge sehr speziellen Stoff in den höheren Klassen ins erste Studienjahr packen und die gewonnene Zeit für berufsorientierenden Unterricht nutzen – und zwar durchgehend von der Grundschule bis zum Gymnasium.

DHB: Und die praktische Ausbildung selber?

Rebecca Franke: Ja wie soll ich das sagen. Wir jungen Leute müssen nach der Schule natürlich auch auf Betriebe treffen, in denen Ausbildung nicht irgendwie nebenbei läuft. Ich stellte im zweiten Lehrjahr plötzlich fest, dass mir vieles nicht beigebracht worden war, was ich eigentlich schon hätte können müssen. Weil ich Sorge hatte, mit meinem Ausbildungsbetrieb die Prüfung nicht zu schaffen, wechselte ich den Salon von Barbara Hieske in Fürstenwalde.

DHB: Und in dem wurde es besser?

Rebecca Franke: Der Unterschied war fundamental.

DHB: Inwiefern?

Rebecca Franke: Ich spürte sofort, dass sie sich Zeit nimmt. Dass sie analysierte, was ich alles noch nicht konnte. Und das sie mir immer wieder mal einen „Tritt“ gab, wenn ich unmotiviert wirkte. Manchmal wirkt das Wunder. Ich spürte einfach: Dieser Frau ist nicht egal, was aus mir wird. Die will mir weitergeben, was sie kann. Das ist das eine.

DHB: Und das andere?

Rebecca Franke: Ich sagte ja, dass ich sehr lange ein scheues Reh war, ein stummes Fischchen. Frau Hieske schaffte es irgendwie, mir die Scheu zu nehmen auf Menschen zuzugehen. Sie brachte mir bei, dass auch Einfühlungsvermögen und der Mund wichtige Werkzeuge sind.

DHB: Noch etwas?

Rebecca Franke: So gut eine Ausbilderin auch ist, sie muss am Ende doch auf Lehrlinge treffen, die lernen wollen. Ich sag mal, wer lernen will, darf nicht auf die Uhr schauen. Wenn beides zusammentrifft, dann wird der Beruf wirklich zur Leidenschaft, wie bei mir.

„Meine größte Herausforderung des ersten Gesellinnenjahres? Die Hoffnung nicht verlieren!“

DHB: Hatten sie Bammel vor der Gesellenprüfung?

Rebecca Franke: Na klar, nach dem Abi ist das die zweitwichtigste Prüfung in meinem Leben gewesen. Aber ich glaube, wäre ich in meinem alten Ausbildungsbetrieb geblieben, hätte ich nicht nur Lampenfieber gehabt, sondern Angst. Das ist ein Unterschied. Das eine motiviert, das andere lähmt.

DHB: Wie haben sie abgeschlossen?

Rebecca Franke: Mit ausreichend Punkten, um das Meister-BAföG in Anspruch nehmen zu können. Das will ich auch nutzen.

DHB: Was war die größte Herausforderung des ersten Gesellinnenjahres?

Rebecca Franke: Nicht die Hoffnung zu verlieren. Ich würde gerne von den Herausforderungen meines ersten Gesellinnenjahres erzählen, von meiner gelungensten Frisur, dem besten Make up, dem schönsten Dank. Doch nach der Gesellenprüfung schlug das Corona-Virus zu. In einem Jahr, in dem Gesellinnen in normalen Zeiten erste wichtige Berufserfahrungen sammeln, saß ich die meiste Zeit mit Kurzarbeitergeld zu Hause.

DHB: Gab es einen Zeitpunkt, an dem Sie überlegten, ob sie den richtigen Beruf gewählt haben?

Rebecca Franke: Nein, nie. Aber Sorgen habe ich mir schon gemacht. Man konnte ja nicht einmal einen Teilzeitjob annehmen, weil man nie wusste, wann dürfen wir wieder aufmachen? Unter welchen Umständen? Ich kann ja nicht zu einem Arbeitgeber gehen und sagen: Stell mich mal ein, aber wenn der Salon in einer Woche wieder aufmachen darf, musst du mich wieder gehen lassen…

DHB: Das heißt, Sie können erst jetzt voll durchstarten?

Rebecca Franke: So ist es. Und ich freue mich total, jeden Tag in den Salon zu kommen. Frau Hieske hat es geschafft, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Sie weiß, dass ich weiß, dass ich noch viel lernen muss. Und die Regelungen des Meister-BAfögGs setzen unseren Gesellenjahrgang ja auch unter Druck. Man muss die Förderung innerhalb von zwei Jahren in Anspruch nehmen. Ein Jahr ist nun nach der Gesellinnenprüfung vorbei, aber man hat gar nicht so richtig Erfahrungen sammeln können. Ich hoffe, dass hier vielleicht noch mal darüber nachgedacht wird, die Frist zu verlängern.

DHB: Was ist der Plan?

Rebecca Franke: Ganz klar: Eine Meisterin werden, mich irgendwann selbstständig machen

DHB: Was ist eigentlich aus Ihren Barbies geworden?

Rebecca Franke (lacht): Die werd ich nach erfolgreicher Meisterprüfung vom Dachboden holen und mich daran erinnern, wie alles angefangen hat….

Mein erstes Jahr als Geselle (Serie): Er wollte nicht studieren. Nach der Schule hatte er keinen Plan. In Neuseeland lernte er Ziegen melken. Und kam als anderer Mensch zurück. Maximilian Golz wurde Tischler. Heute ist Holz seine Leidenschaft.

DHB: An was arbeiten Sie gerade?

Maximilian Golz: Ich bin gerade dabei ein paar Transportrahmen für einen Kunden zusammenzubauen. Die Teile habe ich bereits vorgeschnitten. Nun müssen Sie mit der Klammerpistole zusammengeheftet werden. Für diesen Zweck reicht eine solche Heftung aus.

DHB: Arbeiten Sie gerne in dieser lichtdurchfluteten Werkstatt?

Maximilian Golz:  Wenn ich früh in unsere Tischlerei komme, fühle ich mich jedes Mal wohl. Ich mag das, wenn es nach Holz riecht und nach Leim.

DHB: Wollten Sie schon immer Tischler werden?

Maximilian Golz: Sie meinen so wie jemand, der schon als kleiner Junge in der Werkstatt des eigenen Vaters mitbasteln durfte? Nein, so war es bei mir nicht.  Dann wäre ich wohl eher auf dem Bau gelandet.

DHB: Wieso?

Maximilian Golz: Mein Vater hat als Tiefbauer angefangen. Und natürlich hat er mich auch mal auf eine Baustelle mitgenommen. Und ich erinnere mich, dass mich das als Kind schon beeindruckt hat. Die großen Maschinen und die tiefen Gräben. Mein Vater hat sich dann aber immer weiterqualifiziert und zum Baustellenleiter hochgearbeitet. Er hat mir auch erklärt, dass das eine Menge Verantwortung ist.

DHB: Aber das kam für sie nicht in Frage?

Maximilian Golz: Nein. Aber fragen Sie mich jetzt nicht warum. Das war in einem Alter, in dem man noch vieles werden möchte. Feuerwehrmann zum Beispiel war auch so ein Kindheitstraum. Aber bis zum Schulabschluss war es da noch lange hin…

„Fakt ist: Nach der 10. Klasse hatte ich keinen Plan“

DHB: Sie haben Abitur gemacht?

Maximilian Golz: Ja. Meine Eltern haben mir nie vorgeschrieben, was ich werden sollte. Aber sie legten großen Wert darauf, dass ich das Abi mache.

DHB: Und Sie wollten das nicht?

Maximilian Golz: Fakt war: ich wollte nicht studieren. Fakt war aber auch: als das Ende der zehnten Klasse näher rückte hatte ich keinen Plan.

DHB: Wann wussten Sie, was Sie werden wollten?

Maximilian Golz: Es brauchte einige Zeit, um das herauszufinden. Ich ging ans OSZ in Strausberg, wo man sich für drei Richtungen entscheiden konnte. Ich entschied mich für Technik. Und in den Ferien machte ich Praktika. Auch bei Tiefbauern übrigens. Ich schippte Gräben an der Nordsee, half in einem Bauingenieurbüro. Und war danach so unentschlossen wie zuvor.

DHB: Und dann?

Maximilian Golz: Ich entschied mich für ein halbes Jahr Work and Travel in Neuseeland, war das erste Mal eine längere Zeit sehr weit weg von zuhause.  Ich habe mein Englisch verbessert, in einer Baumschule gearbeitet. Auch auf einer Farm. Nicht zu glauben, ich kann heute Ziegen melken.

DHB: Und, hat’s für die Berufsentscheidung was gebracht?

Maximilian Golz: Auch wenn es zunächst gar nicht danach aussah, muss ich diese Frage heute mit einem klaren Ja beantworten.

DHB: Was heißt das?

Maximilian Golz: Ich kam nicht mit der Idee zurück: Jetzt werd ich Tischler. Aber ich kam als anderer Mensch zurück. Selbstständiger. Erwachsener. Reflektierter. Ich hatte begriffen, dass man auch mit wenig eine tolle Zeit haben kann. Und das prägt heute meine Einstellung zum Leben.

DHB: Der Tischlerberuf war dann eher ein Zufall?

Maximilian Golz: Ja und nein. Es ist richtig, dass ich auch nach meiner Rückkehr nicht so richtig wusste, wie es weitergehen sollte. Aber als ich meinen Schwager etwas von den tollen Inneneinrichtungen in den großen Caravans vorschwärmte, die ich in Neuseeland gesehen hatte, meinte der plötzlich: Bewirb dich doch mal bei der HP Tischlerei. Ich hab da auch gelernt. Und plötzlich war mir klar: Das ist es!

„Du merkst wie es dich packt, wie es dich mitreißt“

DHB: Und. Gab es einen Tag, an dem Sie diese Entscheidung bereut haben?

Maximilian Golz: Nicht einen! Heute gibt es für mich nichts Tolleres, als aus einem Stück Holz etwas herzustellen. Zuerst ist da ein Baum, ein rohes Stück Holz. Und du verwandelst es. Vom Anfang bis zum Ende. Diesen Prozess erlebe ich immer wieder auf’s Neue als Abenteuer.

DHB: Was war Ihr Gesellenstück?

Maximilian Golz: Mein Gesellenstück war ein Sideboard aus Eiche. Es steht heute bei mir zuhause.

DHB: Was ist es, was Sie an diesem Beruf so lieben gelernt haben?

Maximilian Golz: Am Anfang stehen meist nur ein weißes Blatt Papier und ein paar Bretter, noch vollkommen roh. Und dann fängst du an. Zeichnest, nimmst Säge und Hobel, schaltest die Abrichte an. Du merkst, wie es Dich packt. Dich mitreißt. Du riechst das Holz. Fühlst die Späne auf der Haut. Du bist – wie soll ich sagen – wie Gott. Ja, wie ein Schöpfer. Und wenn das Tagwerk vollbracht ist, dir der Meister auf die Schulter klopft, schüttet der Körper Glückshormone aus. Das erlebe ich hier fast jeden Tag.

DHB: Klingt wie der Text zu einem Berufs-Werbevideo?

Maximilian Golz: Tischler zu werden, ist wirklich ein gutes Fundament für die Zukunft. Wenn mich jemand fragt, ich würde jedem zu diesem Beruf raten. Irgendwie sind wir Allrounder. Beherrschen viele Maschinen, können die unterschiedlichsten Werkstoffe zusammenbringen. Machen Menschen glücklich.

DHB: Haben Sie heute eine Erklärung dafür, warum Sie so lange gebraucht haben, sich für einen Beruf zu entscheiden?

Maximilian Golz: Vielleicht hätte ich mich eher entschieden, wenn es in der Schule eine vernünftige Berufsorientierung gegeben hätte. Einmal war die Bundeswehr da, mit einem tollen medialen Auftritt, an den ich mich heute noch erinnere. Wenn es so einen Auftritt vom Handwerk gegeben hätte, vielleicht hätte ich schon eher einen Plan gehabt.

DHB: Aber es gibt doch Berufeschauen des Handwerks. Sogenannte INISEK-Tage, bei denen Schüler sich in den Ausbildungsstätten des Handwerks mit verschiedenen Berufen vertraut machen können…

Maximilian Golz: Das stimmt. Aber wie viele Schulen erreichen diese Bemühungen? Und warum konzentrieren sie sich oft auf Schüler von Sekundarstufen? Als Geselle denke ich, dass das Handwerk viel öfter Wege auch in die höheren Jahrgangsstufen finden muss. Neue. Moderne. Leidenschaftliche.

„Die heutige Berufsorientierungsmentalität spaltet die Gesellschaft“

DHB: Wie könnte das Ihrer Meinung nach ausehen?

Maximilian Golz: Einen Truck mit kleinen Werkstätten, der über die Schulhöfe tourt – das wär mal’ne  Idee. Mit junge Handwerkern oder Meistern drin. Kommen die Schulen nicht zu uns, gehen wir zu den Schulen. Sowas hätt ich als Schüler cool gefunden.

DHB: Was glauben Sie ist der Grund, dass das Handwerk solche Nachwuchsprobleme hat?

Maximilian Golz: Weil man den Eltern seit Jahrzehnten suggeriert. Nur wer studiert wird was. Meine Eltern haben mir zum Glück überlassen, welchen Weg ich gehen möchte. Andere aber trichtern ihren Kinder ein, was sie wahrscheinlich schon selbst eingetrichtert bekamen. Und die Lehrer stoßen dann ins gleiche „Horn“.

DHB: Ist das so?

Maximilian Golz: Bei mir in der Schule habe ich das jedenfalls so empfunden. Das ein völlig falsche, an den Bedürfnissen der Gesellschaft vorbeigehende Berufsorientierungspolitik, die über Jahrzehnte eine Berufsorientierungsmentalität geschaffen hat, die nicht nur Unsinn ist. Sie trägt auch noch zusätzlich zur Spaltung der Gesellschaft bei.

DHB: Wie das?

Maximilian Golz: Das ist doch logisch. Trichtert man Schülern ein, dass aus ihnen nur etwas werden kann, wenn sie studieren, erklärt man all die, die nicht studieren wollen automatisch zu Außenseitern.

DHB: Übertreiben Sie da nicht ein bißchen?

Maximilian Golz: Ich glaube nicht. Diese Diskriminierung geschieht unbewusst, prägt aber dafür umso nachhaltiger.

DHB: Erklären Sie es mir?

Maximilian Golz: Ein Beispiel: ich war auf einer Party. Viele junge Leute meines Alters. Alles Studenten. In der Menge auch ich und noch zwei Lehrlinge, die gerade ihre Ausbildung machten. Jeder eine andere. Ich bemerkte, dass sich sofort zwei Gruppen bildeten. Während alle sich über ihr Studium unterhielten, wurden wir drei zwar gefragt, was wir denn so machten. Als wir dann sagten, dass wie eine Berufsausbildung machten, brachen die Gespräche mit uns schnell ab.

„Wir müssen einer Diskriminierung der Berufsausbildung vorbeugen “

DHB: Welche Erklärung haben Sie dafür?

Maximilian Golz: Ich bin kein Soziologe. Aber ich glaube, dass hier alte Stereotype nachwirken. Viele denken wohl immer noch, mit einer Berufsausbildung, das sind doch die, die mit einem Achtklassen-Abschluss aus der Schule gehen, die morgens um sieben mit einem Kaffee und einem Mettbrötchen an der Tanke stehen. Dass es Handwerker gibt, die Klavier spielen können, oder wie wir drei alle Abitur haben, war bei einigen der Partygäste wahrscheinlich außerhalb ihres Vorstellungsvermögens.

DHB: Woher kommt dieser Dünkel?

Maximilian Golz: Für mich gibt es da nur eine Erklärung. Er ist anerzogen. Und zwar auf eine unbewusste Weise, in dem permanent ein Bildungsweg aufgewertet und ein anderer abgewertet wird.

DHB: Aber inzwischen ist die Meisterausbildung doch dem Bachelor-Studium gleichgestellt?

Maximilian Golz: Ja. Aber das ist weder in der großen Öffentlichkeit noch in der kleinen Schule bisher angekommen. Deswegen plädiere ich ja gerade für einen intensiveren Zugang des Handwerks zu den Schulen – gerade um einer unbewussten Diskriminierung der handwerklichen Ausbildung  gegenüber einer Studienausbildung vorzubeugen.

DHB: Was schlagen Sie vor?

Maximilian Golz: Das Handwerk muss nicht nur die Schulen in den Blick nehmen. Sondern es muss auch neue Wege zu den Eltern finden. Erst wenn die Eltern wieder davon überzeugt sind, dass ihre Kinder auch mit einer handwerklichen Ausbildung etwas werden können, werden wir das Problem lösen.

DHB: Was muss getan werden?

Maximilian Golz:  Ich glaube, dass erst einmal der Elterngeneration klar werden muss, dass Handwerk heute so anspruchsvoll sein kann wie ein Studienberuf. Denken Sie nur daran, wie viele Maschinen ein Tischler bedienen können muss, das CNC-Fräsen zu programmieren sind, das SHK-Techniker und Elektriker heute am Smart-Home arbeiten. Die Berufe im Handwerk haben heute mit den im Kopf vieler Eltern vorhandenen Berufsbildern nichts mehr zu tun.

DHB: Wenn Sie in so einem Truck, von dem Sie vorhin sprachen mitfahren würden, was würden Sie den Schülern empfehlen?

Maximilian Golz: Jeder muss seinen Weg selber finden. Aber wenn ihr mich fragt, ich würde immer empfehlen zuerst eine Berufsausbildung zu machen und danach zu studieren. Mit Praxis- und mit Lebenserfahrung gäbe es dann auch weniger Studienabbrecher. Und vergessen wir nicht. Im Handwerk kann man seinen Meister machen. Es gibt Begabtenförderung und viele andere Chancen.

DHB: Und was ist Ihr Ziel?

Maximilian Golz: Genau die: Studieren und dann den Meister machen. Oder umgekehrt…

Filip d’Huêt wuchs in Słubice auf. Er studierte Automatisierungstechnik in Poznań. Und schlug Jobangebote von Samsung und VW aus. Um Deutsch zu lernen. Und in Frankfurt (Oder) eine Berufsausbildung zu machen. Warum?

DHB: Herr d’Huêt, was surrt hier so?

Filip d’Huêt: Das ist ein Großformatplotter. Mit ihm sind wir in der Lage große Elektropläne auszudrucken, die dann, die Grundlage für jede unserer Baustellen sind.

DHB: Und diese Pläne entstehen wo?

Filip d’Huêt: Genau gegenüber, an meinem PC. Hier entwerfe ich das, was Sie am Ende als Zeichen, Punkte und Linien auf den ausgedruckten Plänen sehen.

DHB: Und Sie wollten schon immer ein Herr der Schaltpläne werden?

Filip d’Huêt (lacht): Ach wissen Sie, wenn man jung ist, will man vieles werden. Sogar Astronaut oder Straßenbahnfahrer.

DHB: Sie sind in Słubice aufgewachsen. Hätten Sie jemals daran gedacht, eines Tages jenseits der Oder im Büro einer Frankfurter Firma zu arbeiten?

Filip d’Huêt: Nein. Ich ging nach Abitur erst einmal nach Poznań, studierte dort Automatisierungstechnik. Aber ich spürte schon während des Studiums, dass mir das alles zu theoretisch war. Aber ich bin ein Mensch der durchzieht, was er einmal begonnen hat. Hab also nicht abgebrochen.

DHB: … und danach sogar lukrative Stellenangebote bei VW und Samsung ausgeschlagen. Warum?

Filip d’Huêt: Ich wäre da in ein Büro gegangen, hätte mich dort Problemlösungen gewidmet. Ich hätte gut verdient, wäre aber – wie sagt man auf Deutsch – vom Regen in die Traufe gekommen. Auch dass, was ich dort hätte tun müssen, war mir zu theoretisch. Ich wollte die direkte Verbindung haben von meiner Arbeit mit der Praxis draußen. Und: Ich bin ein Mensch, der gern dazu lernt, lieber einen Berg hinauf, als hinunter geht.

DHB: Nur gibt’s in Słubice gibt’s weder eine Abschussrampe noch eine Straßenbahn. Wie also kamen Sie auf Schaltpläne?

Filip d’Huêt: Über die Kirche.

DHB: Über die Kirche!?

Filip d’Huêt: Ja, mit 13 Jahren half ich mit anderen Jugendlichen in unserer Kirchengemeinde älteren Menschen bei der Renovierung ihrer Wohnungen. Wir malerten, tapezierten, reparierten Möbel. Damals verlegte ich auch unter fachkundiger Anleitung das erste Mal eine Elektroleitung. Möglich, dass es so begann. Genau kann ich das nicht mehr sagen. Aber sicher trug auch dazu bei, dass mein Vater Fernsehtechniker war. Damals wurden Fernseher ja noch repariert…

„Meine Sorge: Würde man mich nur als billige Arbeitskraft sehen?

Filip d'Huêt wuchs in Słubice auf. Er studierte Automatisierungstechnik in Poznań. Und schlug Jobangebote von Samsung und VW aus. Um Deutsch zu lernen. Und in Frankfurt (Oder) eine Berufsausbildung zu machen.

DHB: Was heißt das?

Filip d’Huêt: Das ich mich nach dem Studium umgeschaut habe. Noch etwas lernen wollte. Aber etwas, bei dem ich mein Studium gut gebrauchen konnte. Meine Freundin arbeitete bereits als Pädagogin in einem Kindergarten in Frankfurt (Oder). Als Słubicer sprach ich schon etwas Deutsch. Also warum die Sprache nicht richtig lernen und dort „drüben“ in die eigene Zukunft investieren?

DHB: Und dann hörten Sie von MobiPro?

Filip d’Huêt: Ja, von diesem tollen europäischen Projekt, das jungen Menschen aus Europa die Chance gab, Deutsch zu lernen und eine Berufsausbildung in Deutschland zu machen. Das war genau das, was ich suchte.  Die Handwerkskammer vermittelte nicht nur den Deutsch-Unterricht, sondern auch die Betriebe. Das machte es zunächst einmal wirklich einfach. Man konnte Deutsch lernen und erst einmal ein Einstiegspraktikum machen, bei dem man wiederum die Sprache in der Praxis trainieren aber auch die Arbeit und seinen Betrieb selbst kennenlernen konnte.

DHB: Hatten Sie keine Vorbehalte oder Sorgen?

Filip d’Huêt: Ich gehöre bereits einer Generation an, die sehr europäisch geprägt ist. Die Oder ist für Słubicer keine Grenze mehr. Jeder in meiner Stadt nimmt unser Zusammenleben ernst und schätzt die Chancen, die unsere Doppelstadt anbietet. Also nein, ich hatte keine Vorbehalte. Meine Sorgen waren anderer Natur.

DHB: Welche?

Filip d’Huêt: Ob ich in einer deutschen Firma wirklich willkommen bin? Oder ob ich als Pole für sie nur eine billige Arbeitskraft wäre…

DHB: Und was wurde aus diesen Sorgen?

Filip d’Huêt: Sagen wir mal so: Sie waren nicht unberechtigt. Ich kam zu einer Firma, die mir genau dieses Gefühl vermittelte. Auch Mitarbeiter meinten, Junge, wenn Du noch was vorhast, weiterkommen willst, such Dir eine andere Firma. Und das tat ich dann auch. Ich wandte mich an die Expertinnen von MobiPro. Und die halfen mir dann noch während des Einstiegspraktikums zu wechseln.

„Die jungen deutschen Gesellen sind praxisnäher ausgebildet“

DHB: Wie denken Sie heute über diese Zeit?

Filip d’Huêt: Ich will nicht grundsätzlich Schlechtes sagen. Die Kollegen waren nett. Ich glaube, dass mittelständische Firmen heute nicht mehr so geführt werden können wie früher. Dass man Wege finden muss, junge Leute zu halten und zu binden. Man muss von ihnen etwas verlangen. Aber man muss ihnen stärker als früher zeigen, dass man sie wertschätzt. Und natürlich möchte man als junger Mensch Entwicklungsperspektiven. Die aufzuzeigen oder zu schaffen fällt der einen Firma schwerer, der anderen leichter.

DHB: Und ihrer neuen Firma fiel das leichter?

Filip d’Huêt: Ob es ihr leichter fällt, kann ich nicht sagen. In junge Menschen zu investieren, zumal in Menschen wie mich, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist, ist ja immer auch eine Investition, die Aufwand bedeutet. Personell und finanziell. Der Firma, in der ich heute bin, ist es den Aufwand aber wert. Und das merkte ich sofort.

DHB: Woran?

Filip d’Huêt: Es gab einen eigenen Ausbilder, der sich Zeit nahm. Und der schnell mitbekam, was jeder schon konnte oder eben nicht konnte. Mir half er in den ersten drei Monaten sehr, die Fachbegriffe zu erlernen, die deutschen Normen. Erst danach durfte ich mit auf die Baustellen.

DHB: Sie schlossen ihre Berufsausbildung als einer der Jahrgangsbesten ab?

Filip d’Huêt: Nun ja. Vergessen Sie bitte nicht, dass ich bereits ein Studium als Automatisierungstechniker absolviert hatte. Das Theoretische war für mich also etwas einfacher, als für manch anderen Auszubildenden. Aber die Ausbildung erfüllte meine Erwartungen. Vor allem die enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis.

DHB: Die gibt es in Polen nicht?

Filip d’Huêt: Die Verbindung ist nicht so eng wie hier in Deutschland. Ich glaube, dass viele Deutsche gar nicht ahnen, wie gut sie es mit ihrem dualen Berufsausbildungssystem haben. In Polen ist die Ausbildung viel theoretischer. Bei uns können sie zwar bereits mit einem Berufsabschluss aus der Schule kommen, haben aber weniger praktische Erfahrung. Die jungen deutschen Gesellen sind praxisnäher ausgebildet. Auch lernt man in Polen natürlich nicht, welche Normen in Deutschland gelten. Aber genau das war es, was ich wollte.

DHB: Wollen Sie damit sagen, das polnische Elektrofirmen auf dem deutschen Markt mit Gesellen arbeiten, die die deutschen Normen nicht kennen?

Filip d’Huêt: Nein. In jedem Land lernt man in der Berufsschule die Normen, die im eigenen Land gelten. In Polen also die polnischen. Polnische Firmen und polnische Gesellen, die auf dem deutschen Markt tätig sein möchten, müssen sich die in Deutschland geltenden Normen eigenverantwortlich aneignen und natürlich umsetzen.

„Leider geistert in den Köpfen noch immer ein veraltetes Berufsbild“

DHB: Woran merken Sie, dass man Sie in Ihrer jetzigen Firma wertschätzt?

Filip d’Huêt: Das merkte ich sehr früh. Elektro Jahn schickte mich als Polen zum Brandenburger Landesleistungswettbewerb. Mein Ausbilder und ich erhielten viel Zeit, damit ich mich darauf vorbereiten konnte. Als ich dann den Wettbewerb gewann, klopften mir alle auf die Schulter. Ich durfte Brandenburg dann sogar beim Bundesleistungswettbewerb vertreten. Das war schon eine große Ehre für einen Słubicer. Aber es ist natürlich auch ein Aushängeschild für die Firma, einen solch guten Mann ausgebildet zu haben.

DHB: Und wie steht es um die Entwicklungschancen?

Filip d’Huêt: Ich erstelle mit meinen Kollegen die Pläne für große Bauvorhaben. Und man schickte mich zu Qualifizierungen. Ich bin in unserer Firma heute außerdem Spezialist für Brandmelde- und Sprachalarmanlagen. Erst hier erfuhr ich, wie vielfältig und spannend der Beruf eines Elektrikers sein kann.

DHB: Wieviel hat Ihr Beruf heute noch mit dem eines Elektrikers zu tun?

Filip d’Huêt: Ich glaube, dass viele immer noch ein veraltetes Berufsbild haben. Elektriker sind Leute, die ein paar Schlitze stemmen und Drähte verlegen, Sicherungskästen montieren und Lichtschalter anklemmen. Klar sind das noch immer die Basics. Aber heute geht es längst um das vernetzte Haus, Energieeinsparpotentiale, Solareinspeisung, Speichertechnik. Ich finde die Entwicklungen faszinierend. Was wir Elektrogesellen daraus machen, liegt an uns selbst. Aber natürlich auch an den Entwicklungsmöglichkeiten, die uns unsere Firmen geben.

Filip d’Huêt wuchs in Słubice auf. Später studierte er in Poznań und schloss mit einem Bachelor in Automatisierungstechnik ab. Er schlug mehrere Jobangebote von Samsung und VW aus, um in Deutschland eine duale Ausbildung zum Elektroniker zu absolvieren. Seit 2020 ist er nun Geselle bei der Firma Elektro Jahn in Frankfurt (Oder).

Das Brandenburger Umweltsiegel ist für viele brandenburgische Handwerksfirmen ein guter Einstieg in ein effektives Umweltmanagementsystem. Solche Systeme werden in Zukunft immer wichtiger – sagt Gunnar Ballschmieter. Er ist bei der Handwerkskammer Ihr Ansprechpartner für Umweltfragen.

DHB: Herr Ballschmieter, für alles Mögliche gibt es Umweltplaketten. Für Elektronikgeräte, Kosmetikprodukte. Auch auf Papierprodukten, Textilien, Tourismuskatalogen. Braucht es in dieser unüberschaubaren Schwemme noch ein landeseigenes Umweltsiegel?

Gunnar Ballschmieter: Es stimmt. Der Markt an Umweltsiegeln wird zunehmend unüberschaubar. Das Brandenburger Umweltsiegel gibt es seit 2010, hat jedoch einen gänzlich anderen Charakter. Es ist kein Siegel, das man an irgendein Produkt pappt.

DHB: Sondern?

Gunnar Ballschmieter: Klima- und Umweltschutz sind die Herausforderungen der heutigen Zeit. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die in der Industrie üblichen Umweltmanagement-Systeme wie die DIN 14001 oder auch das europäische Umweltmanagement-Tool EMAS sehr arbeitsaufwändig sind. Kleine Firmen haben weder die Zeit noch das Personal, um die damit verbundenen Anforderungen erfüllen zu können.

DHB: Also ist es ein großes Siegel für die Kleinen?

Gunnar Ballschmieter: Wenn Sie so wollen, ja. In einer Art Umweltpartnerschaft haben sich das Umweltministerium, die Handwerkskammern und IHKs zusammengefunden und überlegt, wie man auch kleinen Handwerksfirmen und Familienunternehmen einen Einstieg in ein Umweltmanagementsystem ermöglichen könnte. Herausgekommen ist das Brandenburger Umweltsiegel.

Freude über Brandenburger Umweltsiegel

Logo Lorenz Dental GmbH und Co KGDie Lorenz Dental GmbH Schwedt bewarb sich schon früh um das Brandenburger Umweltsiegel. „Für uns ist das Bemühen um das Siegel ein Statement: Umweltschutz ist uns wichtig. Und das nicht erst seitdem Fridays for Future weltweit den Focus auf den Klimaschutz geschärft hat“, sagt Geschäftsführer Thomas Schramm. „Im Jahr 2011 erhielten wir das Siegel das erste Mal. Jetzt haben wird es das dritte Mal verteidigt.“ Seit Einführung des Siegels und der Beachtung der damit verbundenen Vorgaben hat die Firma den Verbrauch an Wasser, Energie und Material signifikant senken können. „Inzwischen können wir den Verbrauch pro Stück erfassen und so gezielt schauen, wo sich weitere Einsparpotentiale erzielen lassen. So haben wir in nur vier Jahren den Einsatz von Gips pro Mitarbeiter um 16 Prozent, von Wasser um 20 Prozent und die Abfälle um mehr als 17 Prozent verringern können. Und das bei gleichzeitigen Steigerung der Produktion um 20 Prozent. Alle 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen inzwischen noch bewusster mit Material, Wasser und Energie um. Ich finde: für kleine und mittlere Unternehmen ist das Brandenburger Umweltsiegel ein handhabbarer Einstieg in ein bewusstes Umweltmanagementsystem.“, meint Thomas Schramm, der sich sichtlich über die Neuverleihung des Brandenburger Umweltsiegels freute.

 „Ressourcen sparen trotz Produktionssteigerung“

DHB: Wie viele Betriebe in Brandenburg haben sich denn um das Siegel inzwischen beworben?

Gunnar Ballschmieter: Ich will ihnen nur drei Beispiele aus unserem Kammerbezirk nennen, die das Spektrum verdeutlichen: die Drechslerwerkstatt Wallmow GbR, ein kleiner Drei-Mann-??? Familienbetrieb, die Lorenz Dental GmbH Schwedt mit 23 Beschäftigten und die die HFFB Fensterbau Bernau GmbH mit 45 Beschäftigten. Das zeigt, dass der niederschwellige Einstieg in ein Umweltmanagementsystem Dank des Brandenburger Umweltsiegels geglückt ist. Für Dentallabore kann das Umweltsiegel sogar einen Prüfungsbestandteil für das renommierte staatliche Umweltsiegel, den „Blauen Engel“, ersetzen.

DHB: Schön und gut. Aber was bringt mir so ein Siegel, wenn ich Inhaber oder Geschäftsführer einer kleinen Firma bin?

Gunnar Ballschmieter: In kürzester Zeit eine gute Analyse, wie es um den Umweltschutz in ihrer Firma bestellt ist. Ideen, wie sie ressourcen- und energieschonender arbeiten können. Wie das Beispiel von Lorenz Dental in Schwedt zeigt, lässt sich dank des mit dem Brandenburger Umweltsiegels verbundenen Managementsystems der Ressourcenverbrauch senken bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktion.

DHB: Was muss eine Firma tun, um das Brandenburger Umweltsiegel zu erhalten?

Gunnar Ballschmieter (lacht): Mich anrufen. Ich berate und helfe bei der Zertifizierung.

DHB: Was kostet mich das?

Gunnar Ballschmieter: Für Mitglieder der Handwerkskammer nichts.

Mirko Schwanitz

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