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Endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, können dessen Erben die Abgeltung noch bestehender Resturlaubsansprüche des Erblassers verlangen.

Wird das laufende Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet und standen diesem vor seinem Versterben noch Urlaubsansprüche zu, können dessen Erben nach § 1922 Abs.1 BGB i. V. m. § 7 Abs.4 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) vom ehemaligen Arbeitgeber die Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs fordern. Das stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 22. Januar 2019 (Az.: 9 AZR 45/16) fest und setzte damit eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 6. November 2018, Az.: C-569/16 und C-570/16) um, der in einem Vorlageverfahren die Ansicht vertreten hatte, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung vererbbar ist und damit auf die Erben des während des Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers übergeht.

Damit steht den Erben gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber ein Abgeltungsanspruch für den nicht gewährten Urlaub des Erblassers zu. Zur Begründung dieses Anspruchs verwies das BAG auf § 7 Abs. 4 BUrlG. Nach dieser Norm ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann, abzugelten. Aus der nach dem europäischen Unionsrecht gebotene Auslegung von §§ 1, 7 Abs.4 BUrlG folge, dass es auch dann zu einer Abgeltung des Resturlaubs kommen müsse, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers ende. Recht auf bezahlten Jahresurlaub beinhalte neben dem Anspruch auf Erholung zusätzlich auch eine finanzielle Komponente, die ausschließlich vermögensrechtlicher Natur sei und dadurch Teil des Vermögens des Arbeitnehmers werde, der diesem allein durch den Tod nicht rückwirkend entzogen werden könne. Als Vermögensbestandteil des Arbeitnehmers gehe der Abgeltungsanspruch daher im Wege der Erbfolge auf dessen Rechtsnachfolger über. Dies bewirke, dass die Vergütungskomponente des restlichen Jahresurlaubs, der nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte, zur Erbmasse des verstorbenen Arbeitnehmers gehöre. Dabei umfasse der Abgeltungsanspruch der Erben nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs.1 BUrlG von 24 Werktagen. Dieser umschließe vielmehr auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen und den tarifvertraglichen Urlaubsanspruch, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteige.

Das BAG vollzieht mit diesem Urteil eine Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung. Bisher legten die Bundesarbeitsrichter § 7 Abs.4 BUrlG dahingehend aus, dass Urlaubsansprüche mit dem Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis untergehen. Entsprechend entstanden von vornherein auch keine Abgeltungsansprüche, die auf die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers hätten übergehen können. Mit der aktuellen Entscheidung des BAG haben Arbeitgeber zu beachten, dass sie im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers von dessen Rechtsnachfolgern auf die finanzielle Abgeltung des vom Erblasser nicht genommen Urlaubs in Anspruch genommen werden können. Unverständlich ist, dass das BAG seine neue Rechtsprechung nicht nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub und gesetzliche Sonderurlaubsansprüche anwendet, sondern auch auf tarifliche Urlaubsansprüche. Überlegenswert wäre es daher, jedenfalls für den übergesetzlichen Urlaub zu regeln, dass dieser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten wird und am Ende des Kalenderjahres verfällt.

 

 

Anja Schliebe

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Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer rechtzeitig auf den Verfall von Urlaubstagen hinweisen.

Ein Arbeitnehmer verliert in der Regel nur dann seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zum Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 19. Februar 2019 (Az.: 9 AZR 541/15)

In seiner Entscheidungsbegründung folgte das BAG dem EuGH. Es stellte fest, dass § 7 Abs.3 S.1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass der Verfall von Urlaubstagen mit Ablauf des Kalenderjahres in der Regel nur dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Zwar bleibt es weiterhin dem Arbeitgeber nach Maßgabe des § 7 Abs.1 S.1 BUrlG vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwinge den Arbeitgeber aber nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege dem Arbeitgeber die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Der Arbeitgeber sei somit gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn erforderlichenfalls förmlich auffordert, dies zu tun. Der Arbeitgeber habe dem Arbeitnehmer daher klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen werde, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nehme.

Mit dem vorliegenden Urteil hat das BAG seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen weiterentwickelt und damit die Vorgaben des EuGH auf der Grundlage der Vorabentscheidung vom 6. November 2018 umgesetzt.

Damit gehen für den Arbeitgeber neue Obliegenheiten einher:

  1. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer individuell aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen. Ein alleiniger Hinweis auf die Anzahl noch offener Urlaubstage wird insoweit kaum ausreichen. Auch ein genereller Aushang am sog. „Schwarzen Brett“, mit dem Appell an die Belegschaft, diese möge ihren Resturlaub nehmen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht werden können.
  2. Die Aufforderung muss hinreichend konkret formuliert sein. Ein allgemeiner Hinweis auf die Urlaubsregelung im Arbeits- oder Tarifvertrag, etwa dass der Urlaub innerhalb des Kalenderjahres zu nehmen ist, reicht nicht.
  3. Des Weiteren muss der Arbeitgeber klar aufzeigen, dass der Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums nimmt.
  4. Die Aufforderung zur Inanspruchnahme des Urlaubs muss rechtzeitig erfolgen. Was im konkreten Einzelfall als „rechtzeitig“ zu werten ist, ließ das BAG leider offen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Mitteilung zeitlich so zu erfolgen hat, dass der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Anzahl der noch nicht genommenen Urlaubsstage vor deren endgültigen Verfall in die Lage versetzt wird, den Urlaub vollständig zu nehmen.

Urlaubsansprüche können mit Blick auf die neue BAG-Rechtsprechung daher nur dann untergehen, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass er den Arbeitnehmer ordnungsgemäß im vorgenannten Sinne informiert und der Arbeitnehmer aus freien Stücken auf seinen Urlaub verzichtet hat, obwohl er durch den Arbeitgeber tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Aus Beweisgründen sollte die Aufforderung des Arbeitgebers daher jedenfalls in Schriftform erfolgen und dem Arbeitnehmer nachweisbar zugestellt werden.

 

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Es besteht kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn das Berufsorientierungspraktikum unterbrochen wird und aufgrund dessen länger als drei Monate dauert.

Einem Praktikanten steht kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn zu, wenn dieser das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums leistet und es eine Dauer von drei Monaten nicht übersteigt. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 30. Januar 2019 (Az.: 5 AZR 556/17) und wies dabei darauf hin, dass das Praktikum unterbrochen und entsprechend der Unterbrechungszeit verlängert werden kann. Das setze allerdings voraus, dass zwischen den einzelnen Zeitabschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt nicht überschritten werde.

In dem konkreten Fall hatten die Parteien ein dreimonatiges Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung für den Beruf der Pferdewirtin vereinbart. Das Praktikum begann am 6. Oktober 2015. In der Zeit vom 3. bis 6. November 2015 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Über die Weihnachtsfeiertage trat sie in Abstimmung mit der Beklagten einen längeren Familienurlaub an. Während des Urlaubs verständigten sich die Parteien darauf, dass die Klägerin erst am 12. Januar 2016 in das Praktikum bei der Beklagten zurückkehrt, um in der Zwischenzeit auf anderen Pferdehöfen „Schnuppertage“ verbringen zu können. Das Praktikum bei der Beklagten endete am 25. Januar 2016. Damit dauerte das Praktikum nach Ansicht der Klägerin länger als drei Monate, woraufhin sie von der Beklagten wegen der Überschreitung der Praktikumshöchstdauer die Zahlung einer Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns von Höhe von ca. 5.500 Euro brutto forderte.

Als die Beklagte dies verweigerte, erhob die Praktikantin Klage. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Gegen das klageabweisende Urteil ging die Klägerin in Revision vor das BAG.

Das BAG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Einem Praktikanten stehe kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn zu, wenn das Praktikum zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums geleistet wird und die Höchstdauer von drei Monaten nicht überschreitet. Dies ergebe sich aus der Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Mindestlohngesetz (MiLoG). Unterbrechungen des Praktikums innerhalb dieses Rahmens sind nach Ansicht der Bundesarbeitsrichter allerdings möglich, wenn der Praktikant hierfür persönliche Gründe hat und die einzelnen Abschnitte sachlich und zeitlich zusammenhängen. Diese Voraussetzungen seien im hier vorliegenden Fall gegeben gewesen. Die Klägerin habe das Praktikum wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sowie auf eigenen Wunsch für nur wenige Tage unterbrochen und im Anschluss an die Unterbrechungen jeweils unverändert fortgesetzt. Das rechtfertigt nach den Feststellungen des BAG aber nicht, dass von einer längeren Praktikumszeit als drei Monaten ausgegangen werden kann.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf angemessene Vergütung nach dem Berufsbildungsgesetz hatte aus prozessualen Gründen keinen Erfolg.

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