Kein Kfz-Kauderwelsch | HWK-FF.DE

Zu Besuch im Handwerk Kein Kfz-Kauderwelsch

Florian Franke und Matthias Trakies vom Kfz-Kompetenzzentrum

© Mirko Schwanitz

Die Welt der Automobilität ähnelt immer mehr den Science-Fiction-Filmen. Auch wenn Autos noch nicht fliegen können, so werden sie doch mehr und mehr von unsichtbaren Autopiloten assistiert. Unter der Haube werden bald keine Verbrenner mehr röhren. Stattdessen werden Motorräume immer mehr zu kleinen Datenverarbeitungszentren. Ein Interview mit Florian Franke und Matthias Trakies vom Kfz-Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Vernetzung.

Interview: Mirko Schwanitz

DHB: Ist ziemlich still hier, in Ihrem Kompetenzzentrum?

Florian Franke (lacht): Kompetenz muss nicht laut sein, oder?

DHB: Stimmt. Hier sieht es eher aus wie in einem Klassenzimmer.

Matthias Trakies: Noch ist alles im Aufbau. Aber selbst, wenn wir hier bald Technik präsentieren, geht es um kleine Kästen voller Leiterplatten und Computerchips. Hier werden keine Auspuffrohre rauchen, sondern Köpfe.

DHB: Willkommen in der neuen Welt des autonomen Fahrens?

Florian Franke: Genau. Wegen dieser neuen Welt werden wir ja auch nicht mehr Kfz-Schlosser oder Kfz-Mechaniker genannt, sondern Kfz-Mechatroniker. Unser Beruf ist ein hybrider. Wir müssen die Mechanik perfekt beherrschen, sind aber längst auch Elektroniker. Ein toller Beruf für Hand und Grips.

Matthias Trakies: Derzeit ist sie noch zu Hause in Testlabors und auf wenigen Teststrecken. Noch sehe ich ein großes Unbehagen in der Welt der Kfz-Werkstätten. Aber auch Neugier und Faszination. Tatsache ist: noch kämpft die Welt der reinen Mechanik mit der neuen Datenwelt. Doch die ist längst da.

DHB: Herr Franke, Sie waren lange Zeit selbst Berufsausbilder für Kfz-Mechatroniker. Sie kennen also das Know-how der Hennickendorfer Berufsbildungsstätte sehr gut? Was bietet das neue Kfz-Kompetenzzentrum, was den Auszubildenden, Meisterschülern und Werkstätten bisher nicht geboten werden konnte?

Florian Franke: Eine vertiefte Ausbildung an sogenannten Datenbus-Systemen, die immer komplexer werden und sich rasend schnell entwickeln. Nur wer hier mit der Entwicklung Schritt hält, wird sich mit seiner Werkstatt in Zukunft behaupten können.

Matthias Trakies: Einfacher ausgedrückt: Im Nachbarraum schauen wir uns die Motoren der einzelnen Hersteller genauer an, simulieren Fehler, um dann die Fehlerbehebung zu trainieren. Hier in diesem Raum geht es um die fürs menschliche Augen unsichtbaren Dinge in einem kleinen unscheinbaren grauen Kästchen.

Computertechnologie für die Kfz-Werkstätten der Zukunft?

 

DHB: Eine Schatztruhe ….?

Florian Franke: … gefüllt mit vielseitigen Informationen. In aktuellen Fahrzeugen kommen immer modernere Assistenz Systeme zum Einsatz. Sie erfassen den momentanen Fahrzustand, etwa den Bremsdruck oder den Lenkwinkel. Radarsensoren und Kameras analysieren in Echtzeit Verkehrssituationen. Die von ihnen zur Verfügung gestellten Daten müssen in Millisekunden verarbeitet und dem Fahrer in Form von Assistenzangeboten zur Verfügung gestellt werden. Diese neuen Systeme nennen sich Advanced-Driver-Assistance-Systeme.

Matthias Trakies: Für die Datenverarbeitung setzen immer mehr Hersteller auf Automotiv Ethernet, also auf das von Florian genannten neueste Datenbussystem. In diesem werden aber nicht nur fahrzeugintern gesammelten Daten verarbeitet, sondern zunehmend auch cloudbasierte Informationen. Dazu gehören, um nur ein Beispiel zu nennen, Informationen über das Verkehrsaufkommen. Die Kommunikation „over-the-air“, kurz OTA, ermöglicht das automatische Updaten von Steuergeräten. Im Kompetenzzentrum soll die zukünftige Generation von Kfz-Mechatronikern weitergebildet werden.

DHB: Das klingt nach einem Quantensprung in der Ausbildung?

Florian Franke (überlegt): Wenn man ein Bild finden müsste, dann könnte man es vielleicht so sagen. Die Mechatroniker waren bisher so etwas wie die Orthopäden oder Rehabilitationstechniker für die Autos, hier geht es jetzt in den Bereich Chirurgie oder Computerchirurgie. Mit kleinen Veränderungen an Bits und Bytes kann sich fahrzeugseitig viel verändern.

DHB: Das klingt herausfordernd?

Matthias Trakies: Das ist es auch. Wir sehen bei einigen Werkstätten noch große Skepsis, auch Ablehnung. Aber wer sich den Herausforderungen dieser Technik nicht stellt, wird bald nicht mehr so handlungsfähig sein wie jetzt.

„Die Landschaft der Kfz-Dienstleister wird sich fundamental ändern“

 

DHB: Wie meinen Sie das?

Florian Franke: Neben enormen Anforderungen für die zukünftige technische Ausstattung der Werkstätten, wird die neue Entwicklung in immer schnelleren Zyklen Schulungen und Weiterbildungen erfordern. Das Fahrzeugkompetenzzentrum hat die Aufgabe, den Werkstätten einen praxisnahen Wissenstransfer sowohl für ihre Lehrlinge, als auch die Gesellinnen und Gesellen und Meister anzubieten.

Matthias Trakies: Um in Zukunft Fahrzeuge reparieren zu dürfen, werden enorme Investitionskosten auf die Werkstätten zukommen, um die zur Reparatur und Fehleranalyse benötigten Tools vorzuhalten. Vergessen wir nicht, selbst Reifen, Bremsen und Scheinwerfer werden geregelt und überwacht. Um ein Kamerasystem eines Autos zu kalibrieren, werden sie einen vernetzten computergesteuerten Stand benötigen. Dessen Software unterliegt herstellerabhängig ständigen Updates.

DHB: Für die die Hersteller in Zukunft Geld verlangen werden…

Florian Franke: Das tun sie bereits. Schon heute ist das für freie Werkstätten eine Herausforderung. Ich bin sicher, dieser technische Forstschritt wird die Landschaft der Autowerkstätten fundamental verändern.

DHB: Inwiefern?

Matthias Trakies: Wir haben natürlich keine Kristallkugel, durch die wir in die Zukunft schauen können. Aber ich denke, in Zukunft müssen freie Werkstätten am Markt anders agieren. Wir werden vielleicht mehr Vertragshändler sehen. Möglicherweise werden sich freie Werkstätten auch zu Servicepartnerschaften zusammenschließen, um die Kosten für notwendige Anschaffungen zu stemmen. Schon heute bedeutet ein Einstellstand für Kamerasysteme hohe Investitionskosten. Das kann keine freie Werkstatt mehr alleine aufbringen.

Brauchen wir in Zukunft Kfz-Mechainformatiker?

 

DHB: Das haben Sie gesehen?

Manfred Mieck: Nein, das erzählte uns eine Frau aus der Nachbarschaft. Ich war mit der Mutter geflohen. Als wir ins zerstörte Frankfurt zurückkamen, war ich neun Jahre alt. Vater kam 1946 aus der Gefangenschaft zurück. Wie wir erfuhren, hatte er Glück im Unglück, war in Polen interniert und leitete die  Lagerschneiderei für die Russen. So bekam er mehr Essen. Es ging ihm etwas besser als anderen.

DHB: Wie reagieren denn die Werkstätten darauf?

Matthias Trakies: Die Mitte fehlt. Entweder sie treffen auf helle Begeisterung oder auf totale Ablehnung. Wir sehen unsere Aufgabe hier auch, den Leuten die Berührungsängste zu nehmen. Das alles ist kein Hexenwerk. Nur sollte man sich im Klaren sein: Es wird kein autonom fahrendes Auto mit einem Verbrennungsmotor geben – davon bin ich überzeugt.

DHB: Aber Sie im Kompetenzzentrum befassen sich ja mit der Software, nicht mit der Hardware?

Florian Franke: Das ist so nicht ganz richtig. Aber ja, die Hersteller stellen uns in der Ausbildung vor gewaltige Herausforderungen, denn nach wie vor kocht jeder seine eigene „Software“, schirmt sein Wissen und seine Technik ab.

DHB: Das Kfz-Kompetenzzentrum für Digitalisierung und Vernetzung ist eine Antwort darauf und bildet ab sofort im Prinzip keine Mechatroniker, sondern Kfz-Mechainformatiker aus?

Florian Franke: Soweit würde ich nicht gehen. Unsere Herausforderung besteht darin, den Markt an Neuentwicklungen genau zu beobachten und mit Kooperationspartnern auf Simulationstechniken zurückzugreifen, die vorhandene BUS-Systeme modellieren können. Sie können sich das wie Schulungsstände vorstellen, an denen die zukünftigen Mechatroniker Fehlerdiagnosen trainieren können.

DHB: Bei der rasanten Entwicklung stelle ich mir das schwierig vor. Bevor Sie einen entsprechenden Schulungsstand hier haben, ist der doch schon wieder veraltet…

Matthias Trakies: Gerade die Möglichkeit der Updates wird ein dynamisches Lernen im Kompetenzzentrum möglich machen. Während das Fahrgestell eines Fahrzeuges dasselbe bleibt, ändert sich die Elektronik, die es steuert und kontrolliert. Wir sind hier also nicht für das Fahrgestell, sondern für seine Steuerung und Optimierung zuständig. Ich bin sicher, solche Art Ausbildung ist auch im Sinne der Fahrzeughersteller.

Florian Franke: Das denke ich auch. Ein Auto, dass permanent piept, wird als nervig empfunden. Ein Fahrzeug, das so kompliziert scheint, dass nicht einmal die Kfz-Mechatroniker die Fehler in akzeptabler Zeit finden, wird Käufer verlieren. Sie müssen also ein Interesse an der Ausbildung guter Service-Mechatroniker haben.

DHB: Nur wer seine Leute rechtzeitig schult, wird marktfähig bleiben?

Florian Franke: So sieht es aus. Aber natürlich bieten wir hier neben den technischen Grundlagen und Zusammenhängen auch die Vermittlung von Kenntnissen hinsichtlich Datensicherheit, Sicherheitsvorgaben, Diebstahlschutz, Schutz vor unbefugtem Zugriff dritter Personen oder auch zu rechtlichen Rahmenbedingungen des autonomen Fahrens an. Das ist wichtig, denn bereits jetzt bekommen nur noch Kfz-Mechatroniker mit einwandfreiem polizeilichen Führungszeugnis bestimmte Daten.

Matthias Trakies: Wir zielen also nicht nur auf unsere Auszubildenden ab, sondern werden auch Lehrgänge für regionale und überregionale Handwerker anbieten. Außerdem werden wir zum Ansprechpartner für Werkstätten, die im Diagnose Bereich Probleme haben.

 

Zur Person:

Florian Franke: Der Kfz-Mechatroniker absolvierte nach seiner Meisterausbildung ein Maschinenbaustudium mit Praktika im Bereich Motorenvorentwicklung, sowie einen Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt Systems Engineering. Seit 2018 Arbeit als Honorardozent in der Berufsausbildung tätig.

Matthias Trakies: Kfz-Mechaniker mit 18 Jahren Berufserfahrung. Zehn Jahre Arbeit bei Volkswagen und Skoda mit dem Schwerpunkt Service-Techniker und der Zusatzqualifikation für Komfort- und Sicherheitselektronik. 2010 Meisterausbildung in der Bildungsstätte Hennickendorf.

Mirko Schwanitz

PR-Redakteur

Telefon: 0335 5619 - 197
Telefax: 0335 5619 - 279

mirko.schwanitz@hwk-ff.de

Kfz-Kompetenzzentrum 

Rehfelder Str. 50
15378 Rüdersdorf bei Berlin

033434 4390

Logo: Zu Besuch im Handwerk