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Wilfried Schwuchow krönte schon Schlosskirchen, seine Replik des Eberswalder Goldschatzes sorgte international für Aufsehen. Mit dem Bau der größten Taschenuhr der Welt kam er ins Guinnessbuch der Rekorde. Sohn Paul soll ihm nachfolgen. Er tritt in übergroße Fußstapfen. 

Text_ Mirko Schwanitz

Wer die Kunstschmiede von Wilfried und Paul Schwuchow in Angermünde betritt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Das Schmiedefeuer faucht und wirft seinen rötlichen Schein auf Werkbänke voller faszinierender Werkzeuge. Schrotmeißel und Stempel liegen da, Nietzieher und Kopfmacher, Anker und Kugelpunzen, Rundgesenke, Ball- und Setzhämmer, kleine und große Dengelambosse. Nicht zu vergessen sind Schmiedesättel, Stauchmatrizen, Wolfsbackenzangen.  Schon draußen hört man das schwere „Tock“ eines Dreikilo-Hammers und das „Kling-Ping-Kling“ eines kleingewichtigeren Kugelhammers. Paul Schwuchow treibt damit gerade einen fünfzackigen Stern aus einem Messingblech.

Tradition ins digitale Zeitalter retten

„Ich arbeite an einer Weihnachtsbaumspitze“, erklärt er. „Viele Kunden sind chinesischen Tinnef leid. Sie wollen etwas, was Wert hat. Etwas, was in der Familie vererbt wird. Zugleich ist es ein Produkt, das später einmal über einen geplanten Online-Shop vertrieben werden könnte.“ Traditionelles Handwerk muss mit der Zeit gehen und die Vorteile des digitalen Zeitalters für sich nutzen. Auch deshalb präsentiert Paul das Handwerk des Vaters, das nun auch sein eigenes ist, auf YouTube und  Instagram.

An der Restaurierung von 140 Kirchen mitgewirkt

Seit Willfried Schwuchow landete am Ende des Zweiten Weltkrieges als Flüchtlingskind in Angermünde. Früh zog es ihn zur Kunst. „Als Junge habe ich gemalt und gezeichnet. Noch heute  habe ich ein paar Landschaftsbilder und Ölporträts.“ Doch die Kunst zum Beruf zu machen ließ die Situation der Familie nicht zu. Lange Zeit musste die Mutter ihre sechs Kinder allein durchbringen. Und auch Willfried musste „was Ordentliches“ lernen- „Also erlernte ich den Beruf eines Schmieds und Schlossers im Kraftwerk Finkenheerd und ging nach der Lehre nach Berlin. Dort machte ich später meinen Meister, begann Turmuhren zu reparieren, Turmbekrönungen zu restaurieren, gestaltete Zunftzeichen und Pokale. Auch die Turmbehelmung der Berliner Nikolaikirche stammt von mir.“ Man kann auch sagen, Willfried Schwuchow hat sichtbare Spuren hinterlassen – an mehr als 140 Kirchen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Nicht nur Kunst-, auch Ideenschmiede

Doch immer wieder drängt sein kreativ-künstlerisches Talent zur Entfaltung. „Ich kann mich nicht dagegen wehren. Die Ideen kommen einfach und eine unbändige Kraft drängt mich, sie Wirklichkeit werden zu lassen“, sagt der inzwischen über 80-Jährige. So war es mit der Weltfriedensglocke im Berliner Friedrichshain, der größten Taschenuhr der Welt im Eberswalder Familiengarten oder der acht Meter hohen Wappenuhr am Steintor in Bernau. Lange vor dem Angriff auf die Ukraine plante er ein Meter großes Fabergé-Ei für den russischen Präsidenten, das mit den Wahrzeichen der Welt geschmückt sein sollte: Eifelturm, Big Ben, das Opernhaus in Sydney, der Moskauer Kreml. „Das kommt für meinen Vater jetzt natürlich nicht mehr in Frage“, sagt Paul Schwuchow.

Das Wissen der alten Meister weitertragen

Um den großen Fußstapfen des Vaters folgen zu können, hat der junge Mann nach seiner Gesellenprüfung zum Metallbauer noch Unternehmensmanagement studiert. Inzwischen hat der 35-Jährige sein erstes eigenes Projekt entwickelt – den Prototyp einer kupferfarbenen Jagduhr. Als Relief hat sie einen Lebensbaum mit Sternzeichen und Tieren. Obenauf soll Jagdgöttin Diana thronen. „Ein Unikat für einen interessierten und solventen Sammler“, sagt er. Mit dem Gewinn aus einem solchen Projekt würden Vater und Sohn in einer Werkstatt gern Inklusions-Arbeitsplätze schaffen. Auch deshalb will Paul, die Kunstschmiede Schwuchow mit Hilfe der Digitalisierung bekannter machen. Neueste Idee: „Wir wollen eine Art Schauwerkstatt einrichten, so dass Besucher, vielleicht auch Schülergruppen, uns hier bei der Arbeit über die Schulter schauen können.“ Das Wissen und Können der alten Meister, wie sein Vater einer sei, dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Mit diesem Credo schickt Paul sich an, die Kunstschmiede Schwuchow ins 21. Jahrhundert zu führen. In Zukunft will er jedenfalls nicht allein von ein paar wenigen Großaufträgen wie der Schlosskirche Berlin-Buch abhängig sein, deren vier Meter hohe Bekrönung für Anfang 2024 geplant ist.

Als Kunstschmiede neue Wege gehen

„Mein Vater war immer auch ein für die Gesellschaft engagierter Handwerker. Einer, der für die Bewahrung des kulturellen Erbes brennt und aus diesem Antrieb heraus bis heute neue, manchmal im positiven Sinne verrückte, Ideen entwickelt. Meine Vision wäre, die kleine Schlosserei in ein Gewerbegebiet zu verlagern und eine Werkstatt aufzubauen, in der wir Menschen mit Handicaps beschäftigen. Mit ihnen gemeinsam ließen sich vielleicht Kunstschmiedeprodukte in kleinen Serien herstellen. Auch dieser Gedanke ist im Zusammenhang mit den handgeschmiedeten Christbaumspitzen entstanden. Noch produzieren wir die allein. Doch die Nachfrage wächst.“ Auch in diesem Jahr werden einige Schwuchow-Sterne vor dem Fest ihre Kunden erreichen – golden schimmernd, in einem wertigen Holzkästchen mit Echtheitszertifikat und – natürlich – auf Krippenstroh gebettet…

Mirko Schwanitz

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Willfried Schwuchow

Kunstschlosserei und Metallrestaurierung

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16278 Angermünde

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