Barrierefreiheit von Firmenwebseiten

Aufgrund des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) müssen bestimmte Webseiten ab 29. Juni 2025 für Menschen mit Beeinträchtigung zugänglich sein. Das neue ZDH Praxis Recht Verpflichtende barrierefreie Gestaltung von Firmenwebseiten sowie die dazugehörige Anlage bieten Praxishinweise.

Am 29. Juni 2025 treten das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) und die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) in Kraft. Diese Vorschriften setzen die EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen (European Accessibility Act – EAA) um.

Firmenwebseiten, über die E-Commerce für Verbraucherinnen und Verbraucher angeboten wird, müssen gemäß dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab 29. Juni 2025 so ausgestaltet sein, dass sie von Menschen mit Beeinträchtigungen ohne Erschwernis genutzt werden können.

Umsetzung konkreter Maßnahmen für barrierefreie Gestaltung von Webseiten

Webseiten sind so zu gestalten, dass sie für Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.

Sowohl das BFSG als auch die BFSGV fordern, dass Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten „auf konsistente und angemessene Weise gestaltet werden“, das heißt: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust.

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit ist verpflichtet, auf ihrer Webseite: https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Home/home_node.html eine Auflistung der wichtigsten zu beachtenden Standards zu veröffentlichen, aus denen die Barrierefreiheitsanforderungen für Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten detailliert hervorgehen. Im Kern lassen sich folgende konkrete Umsetzungsmaßnahmen herleiten:

  • Verständliche und klare Struktur und Benutzeroberfläche der Webseite
  • Verständliche Beschriftung und Erklärung von Formularfeldern
  • Bedienbarkeit der Webseite sowohl per Tastatur als auch per Maus
  • Implementierung einer Spracheingabefunktion
  • Einsatz gut lesbarer Schriftarten und Möglichkeit der Änderung der Textgröße
  • Verwendung von hohen Farbkontrasten für Vorder- und Hintergrund
  • Anpassbarkeit von Zeichen- und Zeilenabständen
  • Untertitel bei multimedialen Inhalten
  • Alternativtexte bei Bildern und Grafiken
  • Bereitstellung von Informationen in leichter Sprache

Die Barrierefreiheit umfasst zudem Identifizierungs- und Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsfunktionen. In der EU-Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen werden folgende Umsetzungsbeispiele genannt:

– Zahlungsdienste müssen über Spracheingabe bedient werden können, damit blinde Menschen selbstständig im Internet einkaufen können
– Die Identifizierungs-Dialogfenster müssen Vorlesefunktionen unterstützen, sodass sie von blinden Menschen bedient werden können

Praxistipp: Betroffene Handwerksbetriebe sollten das Thema Barrierefreiheit frühzeitig mit ihrem Webseitendienstleister besprechen. Dieser kann die entsprechenden technischen Anforderungen auf der Webseite anhand der aktuellen Version der Norm EN 301 549 und dem WCAG-Standard umsetzen.

Praxistipp: Der „BIK-BITV-Test“: https://bitvtest.de/pruefverfahren/bitv-20-web ist ein kostenloses Testverfahren, welches in enger Abstimmung mit Selbsthilfeverbänden von Menschen mit Behinderungen und Experten für Barrierefreiheit entwickelt wurde. Die einzelnen Prüfschritte, die sich aus der Norm EN 301 549 (bzw. den WCAG) ergeben, sind dort aufgelistet. 

Weitere Informationspflichten auf Webseiten

Sofern Firmenwebseiten von Handwerksbetrieben barrierefrei zu gestalten sind, müssen außerdem zusätzliche Informationspflichten beachtet werden. Es ist in den AGB oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise (etwa über einen eigenen Menüpunkt im Seitenmenü) darüber aufzuklären, wie die Barrierefreiheitsanforderungen konkret erfüllt werden.

Folgende Informationen sind bzgl. des Commerce-Angebots (z. B. Online-Shop) bereitzustellen:

– eine Beschreibung der geltenden Anforderungen an die Barrierefreiheit,
– eine allgemeine Beschreibung des Angebots in einem barrierefreien Format,
– Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung des Angebots erforderlich sind,
– eine Beschreibung, wie das Angebot die einschlägigen Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt,
– die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.

Die Bereitstellung dieser Informationen muss ihrerseits in barrierefreier Form erfolgen. Bisher sind keine offiziellen Muster für die Erfüllung der Informationspflichten gemäß BFSG verfügbar.

Ausnahmen von der verpflichtenden barrierefreien Gestaltung von Firmenwebseiten

Kleinstunternehmen sind von dieser Verpflichtung ausgenommen. Als Kleinstunternehmen gelten laut Gesetz Unternehmen, wenn sie

  1. weniger als zehn Personen beschäftigen und
  2. entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder wenn ihre Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.

Auszubildende oder Mitarbeitende im Mutterschafts- oder Elternurlaub werden bei der Anzahl der im Betrieb tätigen Personen nicht berücksichtigt.

Handwerksbetriebe, die nicht unter die gesetzliche Definition des Kleinstunternehmens fallen, bei denen die Einhaltung der neuen Anforderungen jedoch zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, sind ebenfalls von den Vorgaben ausgenommen.

Handwerksbetriebe können sich unter folgenden Voraussetzungen auf eine unverhältnismäßige Belastung berufen:

  1. Kostenanalyse anhand einer Selbstbeurteilung mittels der Anlage 4 zum BFSG.
  2. Dokumentation der Selbstbeurteilung und Aufbewahrung für fünf Jahre.
  3. Erneute Selbstbeurteilung und Dokumentation mindestens alle fünf Jahre oder im Falle neuer B2C-E-Commerce-Angebote.
  4. Unterrichtung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde über die Berufung auf eine unverhältnismäßige Belastung.
  5. Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörde: Vorlage der Selbstbeurteilung.

Vollzugsbehörde

Der Vollzug der sich aus dem BFSG und der BFSGV ergebenden Regelungen fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, die entsprechende Marktüberwachungsbehörden einrichten bzw. benennen. Es ist vorgesehen, dass die gemeinsame Marktüberwachungsstelle der Länder zum Inkrafttreten des BFSG am 29. Juni 2025 ihre Arbeit aufnehmen wird.

Folgen bei Verstößen

Werden Webseiten mit B2C-E-Commerce-Angeboten nicht gesetzeskonform barrierefrei gestaltet oder die Informationspflichten nicht erfüllt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro seitens der Marktüberwachungsstellen behördlich geahndet werden kann. Außerdem drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen von Konkurrenzunternehmen oder klagebefugten Verbänden.

Der ZDH hat gezielte Fragen zur Auslegung der Barrierefreiheitsvorschriften mit der maßgeblichen Einrichtung zur Auslegung der neuen Anforderungen, der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, klären können und im ZDH Praxis Recht Verpflichtende barrierefreie Gestaltung von Firmenwebseiten (Download rechte Spalte) im Wesentlichen zusammengefasst.

Bei Umsetzungs- und Anwendungsfragen stehen Ihnen die Beratungsangebote der Handwerkskammer zur Verfügung

 

Ansprechpartner

Jakub Plonski

Beauftragter für Innovation und Technologie

Telefon:0335 5619 - 122

Telefax:0335 5554 - 203

jakub.plonski@hwk-ff.de

Anja Schliebe

Rechtsberaterin

Telefon:0335 5619 - 136

Telefax:0335 5619 - 123

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