Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen („Mikrojobs“) durch Nutzer einer Online-Plattform („Crowdworker“) auf der Grundlage einer mit deren Betreiber („Crowdsourcer“) getroffenen Rahmenvereinbarung kann ergeben, dass die rechtliche Beziehung der Akteure als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 1. Dezember 2020 (Az.: 9 AZR 102/20).

Nach den Feststellungen des BAG stand der klagende „Crowdworker“ im Zeitpunkt der vorsorglichen Kündigung vom 24. Juni 2019 in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten „Crowdsourcer“. Zur Begründung dieser Feststellung führten die BAG-Richter aus, dass die Arbeitnehmereigenschaft nach § 611a BGB davon abhängt, dass der Beschäftigte weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leiste. Lasse die tatsächliche Durchführung eines Vertragsverhältnisses erkennen, dass es sich hierbei um ein Arbeitsverhältnis handelt, spiele die Bezeichnung im Vertrag keine Rolle. Das Gesetz verlange vielmehr eine Gesamtwürdigung aller Umstände. Diese führten hier dazu, dass Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen seien. Es spreche für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuere, dass der Auftragnehmer infolge dessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten könne. Vorliegend habe der Kläger in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht. Dabei sei er vertraglich zwar nicht verpflichtet gewesen, die Angebote der Beklagten anzunehmen. Allerdings habe die Organisationsstruktur der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform darauf abgezielt, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Erst ein mit der Anzahl durchgeführter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem habe es den Nutzern der Online-Plattform ermöglicht, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit faktisch einen höheren Stundenlohn zu erzielen. Soweit der Kläger Vergütungsansprüche geltend mache, sei der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Nach Ansicht des BAG kann der Kläger nicht ohne weiteres Vergütungszahlung nach Maßgabe seiner bisher als vermeintlich freier Mitarbeiter bezogenen Honorare verlangen. Wenn sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis darstelle, könne in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für den freien Mitarbeiter vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet gewesen. Geschuldet sei vielmehr die übliche Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB, deren Höhe das Landesarbeitsgericht festzustellen habe.

Mit dem BAG-Urteil werden die Arbeiten der Crowdworker aufgewertet. Ob ihnen damit auch die weitreichenden Rechte aus dem Arbeitsverhältnis, wie beispielsweise Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustehen, bleibt abzuwarten. Dies hängt mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin sehr von dem jeweiligen Geschäftsmodell der Plattformen ab und der Frage, inwiefern die Crowdworker weisungsgebunden sind und freie Entscheidungen treffen können.

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