Mirko Schwanitz I hwk-ff
Daniel Komorowski brauchte lange, bis er seine wahre Berufung fand – als Chirurgiemechaniker. Ohne Quereinsteiger wie ihn sähen Ärzte in Europas OP-Sälen ganz schon alt aus.
DHB: Herr Komorowski, wie wird man Chirurgiemechaniker?
Daniel Komorowski: Wenn man nicht unmittelbar neben einem Hersteller von ärztlichen Instrumenten wohnt, meist nur auf sehr verschlungenen Wegen. DHB: Warum denn das? Daniel Komorowski: Ich wusste lange Zeit nicht, dass es so einen Beruf überhaupt gibt. Wenn ich Menschen heute sage, was ich bin, sehe ich sofort die Fragezeichen in den Pupillen.
DHB: Sie müssen viel erklären? Daniel Komorowski: Ja. Ursprünglich habe ich den Beruf eines Konditors erlernt, später als Kommissionierer aber auch als Fensterbauer gearbeitet. Dann hörte ich zum ersten Mal von Medworx, einem Betrieb, der chirurgische Präzisionsinstrumente repariert. Ich vereinbarte während eines Urlaubs ein Probearbeiten und war sofort fasziniert.
DHB: Vom Konditor zur Reparatur von Arztinstrumenten – das ist ein weiter Sprung…
Daniel Komorowski: Es kommt auf den Blickwinkel an. Ein Konditor muss sehr filigran arbeiten. Ein Chirurgiemechaniker auch. Den Konditorberuf gab ich damals vor allem wegen schlechter Arbeitsbedingungen auf. Bei Medworx wurde mir plötzlich bewusst, dass ich seitdem auf der Suche nach einer Arbeit war, die nichts mit dem Konditorberuf, wohl aber etwas mit der Fingerfertigkeit dieses Handwerks zu tun hatte. DHB: Sie leiten hier die Abteilung Messer und Meißel und gelten als „Hohepriester des Feinschliffs“…
Daniel Komorowski (lacht): Dann haben wir viele „Hohepriesterinnen“ und „Hohepriester“! Die meisten meiner Kollegen sind extrem spezialisiert. Sei es bei der Reparatur mikroinvasiver Instrumente und Optiken oder kleinster Antriebssysteme. Trotz meiner heutigen Fertigkeiten, lerne ich nie aus.
DHB: Was fasziniert Sie so an scharfen Klingen?
Daniel Komorowski: Was glauben Sie, wie teuer unser Gesundheitssystem wäre, wenn es nicht Menschen wie uns gäbe, die ärztliche Instrumente reparieren? Wenn jedes Skalpell, jede Knochensäge, jeder Knochenmeißel nach einer Operation entsorgt werden müsste? Es ist also das Wissen und das Gefühl, etwas Nützliches und vor allem Nachhaltiges zu machen.
DHB: Ist man als Quereinsteiger dennoch nicht immer auch ein Außenseiter?
Daniel Komorowski: Im Gegenteil. Dieser Beruf ist so selten, so unbekannt, dass die Mehrheit unserer Kollegen im Betrieb Quereinsteiger sind. Wir haben Menschen hier, die zuvor in z.B. kaufmännischen Berufen gearbeitet haben. Handwerkliches Geschick ist in unserem Berufszweig jedoch von zentraler Bedeutung, weil praktische Fähigkeiten direkt über Qualität, Sicherheit und Effizienz unserer Arbeit entscheiden.
DHB: Es ist also nie zu spät, einen neuen Beruf zu lernen?
Daniel Komorowski: Ich glaube, die Zeit der geradlinigen Berufswege ist vorbei. Um den eigenen Fachkräftebedarf zu decken, muss das Handwerk nicht nur an den Schulen präsenter sein. Es muss auch Strategien entwickeln, die es für Menschen interessant machen, die sich noch einmal umorientieren wollen – egal in welchem Alter. Interview: Mirko Schwanitz