
Mirko Schwanitz I hwk-ff
Nele Müller wusste schon als Kind, dass sie Konditorin werden wollte. Ihr Weg beweist, wie steinig und schmal der Pfad zum Traumberuf sein kann. Aber auch, welche Kraft die Liebe zum Handwerk freisetzen kann.
Nele, es gab wirklich nie einen anderen Berufswunsch?
Nein. Niemals. Ich saß schon mit vier oder fünf auf dem Küchentisch, wenn meine Mutter zu backen anfing. Mit 12 Jahren buk ich meine ersten Torten allein. Mit 14 verdiente ich mir damit mein erstes Taschengeld. Schon damals hatte ich eine ziemlich große Bibliothek mit Backbüchern. Bis heute habe ich hunderte gelesen und keine Backzeitschrift ist vor mir sicher.
Du hast das Abitur gemacht?
Wozu? Ich wusste, dass ich nicht studieren wollte. Meine Schulpraktika machte ich nicht beim Optiker um die Ecke, sondern in Nobelhotels in Aalen und Heiligendamm. Bei meiner Präsentationsprüfung in der 11. Klasse drehte sich alles ums Konditorhandwerk. Der praktische Teil waren zwei Torten, an die sich meine Lehrer noch heute erinnern.
Das Abitur wären für Dich also zwei verlorene Jahre gewesen?
Aus damaliger Sicht war das für mich weder effektiv noch attraktiv. Es war mir wichtig, in einem Hotel mit eigener Patisserie zu lernen, weil ich hoffte, dass der Lehrumfang dort vielschichtiger sein würde. Am liebsten in einem 5-Sterne-Hotel – und ich als Uckermärkerin, als Mädchen vom Lande, bekam tatsächlich eine Lehrstelle in einem namhaften Hotel – in Garmisch-Partenkirchen.
Und, wie lief es?
Mein Ausbilder war wirklich Spitze. Die Kollegen mochten mich. Ich glaube, ich brachte einige Klischees, die dort über Ostdeutschland gepflegt wurden, zum Einsturz. Im zweiten Lehrjahr sagte mein Ausbilder: Dank meiner Leistungen könne er nach 30 Jahren endlich Mal wieder guten Gewissens einen längeren Urlaub machen.
Was passierte dann?
Ich wurde krank. Die Ärzte hatten keine Erklärung. Erst spät schickten sie mich zum MRT und man entdeckte einen Bandscheibenvorfall. Da begann mein Arbeitgeber, schon die Geduld zu verlieren. Als es dann hieß, ich müsste lange Zeit in die Reha, empfahlen mir die Ärzte meinen Ausbildungsvertrag aufzugeben. Sie meinten, ich würde nie mehr als Konditorin arbeiten können. Da brach für mich eine Welt zusammen. Ich brach zusammen.
Wie reagierten die Kollegen in Garmisch?
Während der Reha wurde ein Wiedereingliederungsantrag in die Ausbildung gestellt. Der wurde vom Hotel aber abgelehnt. Ich glaube, auf der einen Seite konnten meine Kollegen ihren Arbeitgeber verstehen. Auf der anderen Seite wussten alle: In Zeiten des Fachkräftemangels lässt man jemanden mit so einem Talent nicht gehen, dem hält man eine Tür offen. So eine Lösung hätte ich mir gewünscht. Auch mein Ausbilder war fassungslos.
Du bist nicht gleich nach Hause zurückgekehrt?
Nicht sofort. Ich jobbte im Rahmen des Wiedereingliederungsprogramms des Arbeitsamtes bei REWE an der Kasse. Dort verging kein Tag, an dem ich mich nicht fragte: Was mache ich hier eigentlich? Es war einfach deprimierend. Nach Hause wollte ich nicht. Ich hatte mich verliebt, mein Freund hatte hier einen gut bezahlten, sicheren Job und wir hatten uns gerade eine gemeinsame Wohnung eingerichtet. Und nun haderte ich damit, dass ich kein Abitur gemacht hatte. Mein Freund sah wie ich litt und bot mir an, das wir uns ein Leben in der Uckermark aufbauen.
Und dann?
Ich gab Backkurse an einer Schule, arbeitete in der Pflege, pendelte in eine Firma, die Mensa-Essen macht. In einer Art gehobener Kantine durfte ich als Springerin die ausgefallene Konditorin ersetzen, qualifizierte mich zur Kaffee-Barista. Danach schmiss ich in Brodowin die Konditorei. Dann wurde ich mit dem ersten Kind schwanger. Ein Wunder geschah und die Schmerzen wurden weniger.
Und nun kam plötzlich wieder der Konditorinnen-Gedanke auf…
… ja. Ich dachte sofort über einen Neustart nach. Denn ich hatte die gesamte Elternzeit über mit wiedererwachter Leidenschaft eine Torte nach der anderen gebacken. „Aber wie sollte das gehen, mit Kind und abgebrochener Ausbildung? Doch ich ließ mich nicht beirren. Ich schrieb eine Businessplan und holte mir eine Beraterin von “Young Companies” an die Seite.
Und was war Deine Geschäftsidee?
Es galt für mich einen Weg zu finden, wie sich die Erziehung meiner inzwischen zwei Kinder und eine Zukunft als Selbstständige unter einen Hut bringen ließ. Das schien mir nur mit einer eigenen Firma möglich. Die Vision war, zunächst Torten für sehr spezielle Veranstaltungen, wie für Hochzeiten, Feiern oder etwa Firmenevents auf Bestellung zu produzieren und dafür einen auskömmlichen Preis zu erzielen. Ich weiß, was meine Arbeit wert ist und was meine Torten deshalb kosten müssen. Aber natürlich ist mein großer Traum ein eigenes Café mit eigener Konditorei.
Und? Ist es einfach seinen Traum zu verfolgen?
Nein. Ich benötigte z. B. eine Eintragung in die Handwerksrolle. Das gestaltete sich viel schwieriger als erwartet, weil meine Erwerbsbiografie nicht in das gängige Raster des dort arbeitenden Mitarbeiters passte. Erst als ich zufällig beim Hauptgeschäftsführer der HWK landete und ihm meine Idee schilderte, zeigte er mir einen Weg auf, wie es gehen könnte
Dafür bin ich ihm sehr dankbar.
Und was war der Weg?
Eine Sach- und Fachkundeprüfung in Potsdam-Rehbrücke. Ich sagte zu den Prüfern, dass ich mehr zeigen möchte als erforderlich. Ich wollte einfach beweisen, dass ich es konnte! Ich habe die Prüfung mit Bravour bestanden. Ich bin jetzt 29. Ich habe schon viele Jahre verloren. Aber nun kann ich vielleicht meinen Traum von einem Café in der Uckermark verwirklichen. Es soll mehr sein als ein Café – ein kultureller Treffpunkt der Gaumenfreude. Ein sinnliches Erlebnis, für das die Leute von weit herkommen. So etwas kann man als Konditorin schaffen. Wenn man gut ist – und sich nicht unter Wert verkauft. Mirko Schwanitz
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