
Schwefel Friseure
„Wir sind wie ein Orchester“
2008 übernahm Daniel Schwefel den Salon seines Vaters Peter und führt ihn seitdem in siebenter Generation. Gegründet 1797, war die Firma stets am Puls der Zeit und besteht auf einem hart umkämpften Markt.
Interview: Mirko Schwanitz
Herr Schwefel, Ihr Familienunternehmen ist über 225 Jahre alt. Was ist das Geheimnis einer solch langen Handwerkstradition?
Daniel Schwefel: Qualität, Innovation und sicher auch die Fähigkeit der Generationen vor mir, den eigenen Nachwuchs davon zu überzeugen, dass man als Friseur oder Friseurin einen tollen Beruf hat, mit dem man andere Menschen glücklich machen und selbst auch gutes Geld verdienen kann.
Aber gerade aus dem Friseurhandwerk hört man seit langem Klagen über harte Konkurrenz …
Daniel Schwefel: Im Konkurrenzkampf standen wir immer. Uns war er stets Ansporn, ein bißchen besser sein zu wollen, als der eine Kollege oder die andere Berufskollegin. Das kann man nur durch Weiterbildung. Nicht nur fachlich. Auch der Umgang mit Kundinnen und Kunden ist bei uns Teil eines permanenten Trainingsprogramms. Über den Erfolg entscheiden am Ende die Kunden.
„Es gibt zu wenige Salons, die ausbilden“
Haben Sie eine Erklärung für die gesunkene Attraktivität des Friseurberufs bei der jungen Generation?
Daniel Schwefel: Es gibt einfach zu wenige Salons, die ausbilden. Hinzu kommt das hartnäckige Vorurteil der nicht angemessenen Bezahlung. Angestellte Gesellen und Meister klagen hier und da über zu wenig Freiräume für Weiterbildung. Aber auch die Auffassung, sich am Preiskampf mit Konkurrenten beteiligen zu müssen, von denen man nicht weiß, wie sie von ihren Preisen leben und ihre Ladenmieten bezahlen, tragen dazu bei.
Die steigende Mindestausbildungsvergütung ist ein immer wieder vorgebrachtes Argument, sich von der Ausbildung zu verabschieden …
Daniel Schwefel: Ich war immer für eine Mindestausbildungsvergütung und sehe die Erhöhung positiv, weil sie die Attraktivität unseres Berufes steigert. Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft und keine in die unmittelbare Gewinnmarge eines Salons. Senken die Ausbildungsvergütungen die Gewinne eines Salons? Nicht, wenn man den Wert der eigenen Arbeit klar definiert und kommuniziert. Und genau hier tut sich in der Branche gerade etwas.
„Wir steuern auf Schweizer Verhältnisse zu“
Was für Entwicklungen sehen sie?
Daniel Schwefel: Wir steuern im Friseurhandwerk auf Verhältnisse wie in der Schweiz zu, wo man bereits für Schneiden und Föhnen 100 Euro die Stunde bezahlt. Die Frage ist aber eine andere.
Nämlich welche?
Daniel Schwefel: Natürlich wird jeder Salon nach wie vor die Basics anbieten müssen. Aber damit werden wir kein Geld mehr verdienen. Schon jetzt zeigt sich, dass die Kunden die Spannen zwischen ihren Friseurbesuchen verlängern. Umso mehr freuen sie sich aber dann auf den Termin. Und hier setzen wir z. B. mit „Der schöne Moment“ an – dem Motto unseres Salons.
Was steckt dahinter?
Daniel Schwefel: Unsere Nische. Jeder Friseursalon muss seine eigene „Nische“ finden. Wir müssen etwas kreieren, auf das sich der Kunde freut. Eine kurze Auszeit vom Alltag, die es ihm wert ist, den von uns geforderten, notwendigen Preis für unsere Leistung, die Erhaltung und Entwicklung unserer Salons zu bezahlen.
Was ist dafür notwendig?
Daniel Schwefel: Fortbildung. In meine eigene und die, meiner Mitarbeiterinnen. Heute bin ich mir sicher, dass jede meiner neun Gesellinnen, die es möchte, die Meisterprüfung schaffen würde und mehr kann, als dort gefordert würde.
Aber nicht jede kann alles …
Daniel Schwefel: Jede beherrscht die Basics auf höchstem Niveau. Darüber hinaus hat jede Mitarbeiterin besondere Fähigkeiten, ein Fachgebiet, das sie besonders interessiert. Die Balayagetechnik etwa, für ein weicheres Strähnenbild oder die HFK-Methode, die haareigene Formungskräfte zur Lockenerstellung nutzt. Also: Sie müssen sich uns wie ein großes Orchester vorstellen. Ich bin zwar der Dirigent, aber jede kann sich das Instrument aussuchen, das sie spielen möchte. Und wir ermöglichen dann, dass sie das Instrument bis zu Perfektion erlernt und im Salon dann auch als Solistin auftreten darf.
Vor welchen Herausforderungen sehen Sie das Friseurhandwerk ganz allgemein?
Daniel Schwefel: 35 Jahre nach der Wende stehen viele der damaligen Gründer heute vor der Frage der Nachfolge. Die Salons, die dafür kein Konzept haben, werden schließen. Ob es deshalb weniger Salons geben wird? Ich bin mir nicht sicher. Ich stelle meinen Beruf oft in Schulen vor. Aus diesen Erfahrungen speist sich bei mir die vorsichtige Hoffnung, dass der Abwärtstrend bei den Ausbildungszahlen in unserem Beruf bald gestoppt sein könnte.
Als Sie 2008 den Salon von Ihrem Vater übernommen haben, wie sind Sie an die Modernisierung Ihres Salons herangegangen?
Daniel Schwefel: Wir hatten Strategiepläne. Mein Vater und ich arbeiten mit 2- bzw. 3-Jahresplänen. Denn: wenn Du keinen Plan hast, weißt Du auch nicht, wo die Reise hingeht. In einem dieser Pläne war z. B. die Umstrukturierung von einer GbR in eine GmbH das Ziel. Nur so kann die Fortführung des Betriebes gesichert werden, wenn meine Tochter den Betrieb nicht übernehmen will.
„Man braucht den schönen Moment nicht nur für die Kunden“
Welche Vision hatten Sie?
Daniel Schwefel: Die Frage war für mich schon früh: Wie forme ich im ländlichen Raum einen Friseursalon auf modernstem Niveau? Wie ziehe ich Kunden aus dem weiteren Umland in meine Salons in Wriezen oder Neutrebbin. Dazu war ich früh und viel in der Bundesrepublik unterwegs, habe mich umgesehen. Mit diesen Erfahrungen haben wir dann die Modernisierung unserer Salons strategisch geplant.
Wie haben Sie das Team mitgenommen?
Daniel Schwefel: Für das Team gab und gibt es Jahrespläne. Dazu holen wir alle Mitarbeiterinnen ins Boot, angefangen mit Einzelgesprächen darüber, wo sich jede zu einem bestimmten Zeitraum sieht und wie wir sie bei der Erreichung seines Ziels unterstützen können. Mit der Salon- und der kreativen Leitung gingen wir zu Beginn sogar in eine dreitägige Klausur. Am Anfang jedes Jahres schauen wir dann zurück und definieren das Ziel für das nächste Jahr.
Wie muss ich mir das vorstellen?
Daniel Schwefel: Dazu gehören vor allem Fragen wie: Welche Trends gibt es? Welche neuen Dienstleistungen wollen wir anbieten? Was ist dafür an Weiterbildungen notwendig? Wo laufen Dinge noch nicht rund und woran liegt das?
Gibt es so etwas wie eine Salon-Philosophie?
Daniel Schwefel: Es gibt eine Art Leitmotiv, das sich von Beginn an durch alle Planungen zieht. Ich nannte es bereits. Es lautet: „Der schöne Moment“. Das meint im Übrigen nicht nur den schönen Moment für die Kunden, sondern auch für unsere Mitarbeiterinnen. Dabei geht es darum, auch für sie die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass auch sie sich im Salon mit ihrer Arbeit wohlfühlen. Nur dann können sie ihre Mitarbeiter halten.
„Der Mindestlohn war wichtig“
Die Mehrheit Ihrer Kunden kommen nicht aus den Orten, in denen Sie ihre Salons haben. Wie haben Sie das geschafft?
Daniel Schwefel: Zuerst einmal ist das ein Zeichen, dass unsere Strategie aufgegangen ist. Wir analysieren die Trends, setzen sie sofort in Weiterbildung um und bieten schnell Dienstleistungen an, die diese Trends früh und in sehr hoher Qualität aufgreifen. Wenn die Kunden dann das Gefühl haben, die ein oder zwei Stunden bei uns seien wie ein Kurzurlaub gewesen, haben wir unser Ziel erreicht. Wir zeigen also, das moderne Friseurkunst im ländlichen Raum mit einer alternden Bevölkerung tatsächlich funktionieren kann.
Sie haben in Ihrem Salon einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Bereich für Kunden mit besonderen Bedürfnissen wie etwa Perücken. Nun haben Sie auch noch einen Weiterbildungsbereich eingerichtet. Was wollen Sie dort anbieten?
Daniel Schwefel: Wir haben inzwischen ein solches Ausbildungsniveau im Salon, dass wir Weiterbildungen für Kolleginnen und Kollegen, aber auch Coachings anbieten wollen. Damit starten wir 2025 und wir werden sehen, wie diese neue Dienstleistung angenommen wird.
In den Zeitraum der Übernahme des Unternehmens von Ihrem Vater fiel auch die Einführung des Mindestlohnes…
Daniel Schwefel: … der wichtig war. Inzwischen sind wir aber in einer Situation, wo sich die Gehaltsfrage von allein regelt. Wer heute Mitarbeiter haben will, muss einfach besser und mehr als den Mindestlohn bezahlen. Ich finde also, dass der Staat sich bei Mindestlöhnen wieder zurückhalten sollte.
„Unser Beruf gewinnt wieder an Wertschätzung“
Sollten die Mindestausbildungsvergütungen auch weiter steigen?
Daniel Schwefel: Die Einführung der Mindestausbildungsvergütungen haben dazu geführt, dass die bundesweiten Ausbildungszahlen von einmal rund 40 000 auf etwa 6000 Lehrlinge geschrumpft sind. Ich möchte nicht pauschalisieren. Aber ich glaube, dass diese Zahlen nur zeigen, welche Betriebe wirklich ausbilden wollen und schon immer ausgebildet haben, welche also die Lehrlinge nicht als billige Assistenzkraft – man verzeihe mir diesen Begriff – ausgebeutet haben.
Eine Sichtweise, mit der Sie sich eine Menge Kritik einfangen dürften …
Daniel Schwefel: Sicher ist das so. Aber ich beobachte ja, dass die Ausbildungszahlen langsam wieder steigen. Und das hat damit zu tun, dass der Beruf des Friseurs langsam wieder an Wertschätzung gewinnt. Einen der Gründe sehe ich im Übrigen in den gestiegenen Preisen für unsere Dienstleistungen. Eine Geringschätzung unseres Berufes würden sich weder ich noch meine Mitarbeiterinnen gefallen lassen.
Gibt es denn Kunden, die sich geringschätzig über den Friseurberuf äußern?
Daniel Schwefel: Ich denke, jede Kollegin, jeder Kollege kennt die Diskussion über den Preis eines Herrenhaarschnitts, der heute etwa bei 36 Euro liegt. Wer es billiger haben möchte, den schicken wir einfach wieder weg. Wir haben keinen Bock mehr auf solche Diskussionen. Es sind im Übrigen nicht selten Kunden, die für die Arbeitsstunde einer Kfz-Werkstatt anstandslos 64 Euro und mehr bezahlen. Was ist das anderes, als Geringschätzung unserer Dienstleistung.
Schwefel Friseure
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