Verfall von Urlaubsansprüchen – Neue Obliegenheiten des Arbeitgebers

Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer rechtzeitig auf den Verfall von Urlaubstagen hinweisen.

Ein Arbeitnehmer verliert in der Regel nur dann seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zum Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 19. Februar 2019 (Az.: 9 AZR 541/15)

In seiner Entscheidungsbegründung folgte das BAG dem EuGH. Es stellte fest, dass § 7 Abs.3 S.1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass der Verfall von Urlaubstagen mit Ablauf des Kalenderjahres in der Regel nur dann eintreten kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Zwar bleibt es weiterhin dem Arbeitgeber nach Maßgabe des § 7 Abs.1 S.1 BUrlG vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Die Vorschrift zwinge den Arbeitgeber aber nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliege dem Arbeitgeber die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Der Arbeitgeber sei somit gehalten, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn erforderlichenfalls förmlich auffordert, dies zu tun. Der Arbeitgeber habe dem Arbeitnehmer daher klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen werde, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nehme.

Mit dem vorliegenden Urteil hat das BAG seine Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen weiterentwickelt und damit die Vorgaben des EuGH auf der Grundlage der Vorabentscheidung vom 6. November 2018 umgesetzt.

Damit gehen für den Arbeitgeber neue Obliegenheiten einher:

  1. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer individuell aufzufordern, seinen Urlaub zu nehmen. Ein alleiniger Hinweis auf die Anzahl noch offener Urlaubstage wird insoweit kaum ausreichen. Auch ein genereller Aushang am sog. „Schwarzen Brett“, mit dem Appell an die Belegschaft, diese möge ihren Resturlaub nehmen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht werden können.
  2. Die Aufforderung muss hinreichend konkret formuliert sein. Ein allgemeiner Hinweis auf die Urlaubsregelung im Arbeits- oder Tarifvertrag, etwa dass der Urlaub innerhalb des Kalenderjahres zu nehmen ist, reicht nicht.
  3. Des Weiteren muss der Arbeitgeber klar aufzeigen, dass der Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht vor Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums nimmt.
  4. Die Aufforderung zur Inanspruchnahme des Urlaubs muss rechtzeitig erfolgen. Was im konkreten Einzelfall als „rechtzeitig“ zu werten ist, ließ das BAG leider offen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Mitteilung zeitlich so zu erfolgen hat, dass der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Anzahl der noch nicht genommenen Urlaubsstage vor deren endgültigen Verfall in die Lage versetzt wird, den Urlaub vollständig zu nehmen.

Urlaubsansprüche können mit Blick auf die neue BAG-Rechtsprechung daher nur dann untergehen, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass er den Arbeitnehmer ordnungsgemäß im vorgenannten Sinne informiert und der Arbeitnehmer aus freien Stücken auf seinen Urlaub verzichtet hat, obwohl er durch den Arbeitgeber tatsächlich in die Lage versetzt wurde, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Aus Beweisgründen sollte die Aufforderung des Arbeitgebers daher jedenfalls in Schriftform erfolgen und dem Arbeitnehmer nachweisbar zugestellt werden.

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