INTERVIEW

Wie Social Media eine Seelower Metall- und Stahlbaufirma verändert

Lena Kinner und Karl Gersdorf - die Macher des Social Media Auftritts von Gersdorf und Richter

Die Metall- und Stahlbaufirma Gersdorf & Richter oHG hat ihre Wurzeln in einer kleinen Lebuser Schlosserei mit angeschlossener Fahrradwerkstatt. Seit 1995 führt der Metallbaumeister Guido Gersdorf, das Unternehmen in dritter Generation als Neugründung zusammen mit Dipl.-Ingenieur Klaus-Peter Richter. Seitdem hat sich die Gersdorf und Richter ohG zu einem deutschlandweit tätigen Metall- und Stahlbaubetrieb entwickelt. Seit kurzem macht das seit 2018 in Seelow beheimatete Unternehmen auch mit seinen Social-Media-Aktivitäten von sich reden – verantwortlich dafür: Lena Kinner und Karl Gersdorf, Tochter und Sohn des Geschäftsführers Guido Gersdorf.

DHB: Lena, Karl, es ist noch nicht so lange her, da ging eines Eurer Instagram-Videos geradezu viral und erreichte über sieben Million Klicks?

Karl: Das hat uns auch überrascht. Denn eigentlich haben wir erst in diesem Jahr so richtig mit unseren Social-Media-Aktivitäten losgelegt. Natürlich erreicht nicht jeder Post eine solche Reichweite. Aber wir haben seit Februar fast 4.000  Follower gewonnen.

DHB: Ihr habt beide BWL in Berlin studiert, seid dann mit Eurem Know-how nach Seelow zurückgekehrt, um das Unternehmen bei der Firmenentwicklung zu unterstützen. Was habt Ihr vorgefunden?

Lena (lacht): Ein Wirrwarr. Aber auch eine gute Basis. Einer Kollegin, die sich hier bisher nebenbei um das Marketing kümmerte, war immer klar, wie wichtig das Internet und ein entsprechender Auftritt der Firma nach außen sind. Was fehlte, war eine gewisse Einheitlichkeit, Wiedererkennbarkeit – also das, was man in der Fachsprache Corporate Identity nennt. Darum haben wir uns zuerst gekümmert. Logo, Schrifttypen, Webauftritt, Fahrzeugwerbung.

DHB: Es gibt in Ostbrandenburg zahlreiche Handwerksfirmen, die sagen, wir haben genug Aufträge, wozu benötigen wir eine Website oder Social-Media-Kanäle? Macht alles nur Arbeit, kostet alles nur Geld…

Karl: Wir können nur von unseren Erfahrungen sprechen. Gersdorf und Richter hat inzwischen 20 Mitarbeiter und mehrere Auszubildende. Wir wollen uns entwickeln. Wir wollen wachsen. Wir wollen neue Geschäftsfelder erschließen. Wir wollen als traditionelles Qualitätshandwerk in moderner Form wahrgenommen werden. Das ist ohne Nutzung von Social Media heute nicht mehr möglich.

DHB: Warum nicht?

Lena: Ich bin 28. Karl ist 23. Wir gehören zur jungen Generation. Ich kann ihnen versichern. Eine Firma ohne Instagram- und TikTok-Auftritt, der auf eine moderne Website lenkt, auf der ich mich informieren kann, hat in der heutigen jungen Generation einfach kaum eine Chance. Die Mehrheit dieser Generation erreichen sie bereits heute deutlich effektiver über Social Media-Kanäle.

„Dank Social Media ist der Stolz der Mitarbeiter auf die Firma heute viel größer“

DHB: Was war die erste Herausforderung?

Lena: Wer wachsen möchte, der braucht neue Fachkräfte. Gleichzeitig muss er die vorhandenen Mitarbeiter im Unternehmen halten. Die Altersstruktur in der Firma zeigte klar, dass wir unsere  Social Media Kanäle gezielt zur Gewinnung jüngerer Mitarbeiter einsetzen müssen, die wir dann möglichst lange im Unternehmen halten wollen.

DHB: Und – wie habt Ihr diese Aufgabe gelöst?

Karl: Wir haben unsere Azubis zu Botschaftern unseres Unternehmens gemacht und mit ihnen kleine Clips gedreht. Wichtig war uns zu zeigen, dass Humor in unserer Firma großgeschrieben wird. Wir wollen realen Werkstattcontent zeigen, mit dem sich alle Handwerker*innen und vor allem Mitallbauer*innen identifizieren können. Kein Tag ist gleich, kein Tag ist perfekt aber mit etwas Humor und vor allem Teamgeist meistern wir jede Herausforderung und sind stolz auf das, was wir machen. Unsere Videos sind nicht sonderlich geskriptet, im Gegenteil. Von uns kommt die Idee. Zum Beispiel greifen wir Sounds auf, die gerade im Trend sind oder haben eine lustige Szene im Kopf. Das besprechen wir mit den Mitarbeitenden, die die Idee dann vor der Kamera in die Realität umsetzen.

DHB: Was hat sich für Gersdorf und Richter geändert, seitdem ihr im Unternehmen seid?

Lena: Schon nach den ersten fünf Videos stieg die Wahrnehmung von Gersdorf und Richter exponentiell. Hatten wir am Anfang gerade mal 70 Leute, die uns wahrnahmen, waren es nach dem fünften Video schon 500. Das erste wirkliche Recruiting-Video sahen Millionen  User. Heute kommen Bewerbungen aus ganz Deutschland, selbst aus Bayern. Wir haben eine wachsende Community. Nicht nur regional. Auftragsanfragen nehmen zu. Inzwischen werden wir sogar international wahrgenommen, etwa in der Schweiz, Österreich, ja selbst in Italien und in der Türkei.

DHB: Und das alles nur, weil ihr zu Beginn dieses Jahres ein paar Social-Media Kanäle angelegt habt?

Karl: Das Anlegen ist nicht das Problem. Man muss sie richtig „bespielen“. Inzwischen kennen wir unsere Zielgruppen und Follower sehr gut. Wir wissen ganz genau, zu welchen Zeiten, an welchen Tagen unsere Community am aktivsten ist, wann wir also etwas posten müssen, um genau die richtigen Leute zu erreichen. Junge Leute können Dank Social Media außerdem viel einfacher Kontakt mit uns aufnehmen. Sie schreiben uns in den Kommentaren oder über die Chat-Funktion. Direkt im Instagram-Profil haben wir ein Bewerbungsformular verlinkt. Das Ausfüllen dauert nicht mal eine Minute. Sie bekommen von mir innerhalb  von 24 Stunden eine persönliche Antwort. So bauen wir uns ein Netzwerk auf, auf das wir zurückgreifen können.

DHB: Waren die Mitarbeiter nicht skeptisch?

Lena: Natürlich gab es am Anfang bei einigen auch Skepsis. Deshalb haben wir mit den Auszubildenden begonnen. Aber mit dem Erfolg wuchs auch die Neugier der anderen. Einige aus unserem Team sind selbst auf Instagram, liken und kommentieren, teilen unsere Clips in ihrer Community. Für uns ist es total spannend zu sehen, dass während der kleinen Dreharbeiten immer wieder so ein kleines Teambuilding entsteht, für die große Unternehmen großes Geld ausgeben. Ich würde behaupten: Der Stolz der Mitarbeiter auf ihre Firma ist heute ein anderer, tieferer, als in der Zeit als es Social Media noch nicht gab.

DHB: Gibt es auch Nachteile?

Karl: Nervende  Werbe- und Verkaufsanrufe haben extrem zu genommen. Aufgrund unserer Instagram-Zahlen denken viele, das wir ein großer Betrieb sind. Zum Beispiel wollten Berufsschullehrer uns als Ausbildungsbetrieb näher kennenlernen und im Anschluss eine Schulung bei uns abhalten. Dafür haben wir aber keine räumlichen und personellen Kapazitäten. Marketingagenturen wollen verstärkt mit uns zusammenarbeiten, da wir natürlich tolles Potential mitbringen und eine Reichweite, die für diese Agenturen eine unkompliziertere Ausgangslage bieten. Recruitingfirmen rufen fast täglich bei uns an und bieten uns ihre Leistung an. Also:  Unternehmen, die ihre Leistung verkaufen wollen, werden schneller auf uns aufmerksam und lassen oft auch nicht locker. Sie halten uns von der Arbeit ab. Es gibt aber auch die eine oder andere Anfragen für Aufträge, die unsere personellen Kapazitäten im Moment noch übersteigen. Vieles müssen wir absagen. Aber eine Anfrage hat bei uns für großes Interesse gesorgt.

DHB: Welche?

Lena: Vor kurzem fragte Warner Bros. bei uns an, ob sie in unserer Firma für eine Serie drehen können, in der Handwerksberufe vorgestellt werden. Derartige Anfragen machen uns natürlich sehr stolz und wir werden sehen, welche Bühne uns Social Media in Zukunft noch verschaffen wird. Interview: Mirko Schwanitz

 

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