INTERVIEW

„Wir steigen anderen gern aufs Dach“

Marlen und Lara – zwei Frauen, die anderen gern aufs Dach steigen. Als Dachdecker- und Dachklempner-Gesellin im Dachdeckerbetrieb von René Haase wollen sie auch Role-Models für andere junge Frauen sein. Der Weg ins Handwerk, sagen sie, ist einfacher als manches Mädchen denkt.

Marlen, Lara – wolltet Ihr immer schon anderen aufs Dach steigen?
Marlen Engel: Nein. Gelernt habe ich Außen- und Großhandelskauffrau. Da hatte ich Berührung mit dem Beruf, denn es war ein Großhandel für Dachdeckerbedarf.
Lara Riegler: Bis zur 8. Klasse hatte ich keinen Schimmer. Dann ließen meine Eltern das Dach unseres Hauses decken. Mich hat interessiert, was die Leute da machten. Später sah ich mich auf einer last minute Börse um und vereinbarte mit der Firma Rene Haase ein Praktikum. Das gab den Ausschlag.

Marlen, warum hast Du nicht als Kauffrau weitergearbeitet?
Marlen Engel: Ich hatte Sorge, dass ich nach der Ausbildung auf Jahre hinaus tagein, tagaus das gleiche machen und im Büro sitzen sollte. Also fragte ich meinen Ziehpapa, der – ganz zufällig – Dachdeckermeister mit eigener Firma war. Er suchte jemanden fürs Büro. Aber ich wollte den Beruf von der Pike auf lernen. Und jetzt bin ich auf dem Dach und helfe im Büro.

Wie viele junge Frauen haben denn mit Euch die Berufsausbildung absolviert?
Lara Riegler: Sehr wenige. Ich war in meiner Berufsschulklasse jedenfalls die einzige.
Marlen Engel: Bei mir war es ähnlich. Aber das machte mir nichts aus.

Warum ist das so? Was meint Ihr?
Lara Riegler: Ich glaube, dass man Mädchen in der Schule mehr ermutigen muss, dass sie auch im Handwerk ihren Weg machen können und willkommen sind. Dazu müssten aber noch wesentlich mehr Möglichkeiten der Begegnung mit Handwerkerinnen geschaffen werden.
Marlen Engel: Handwerksbetriebe müssen den Mut haben, Frauen einzustellen und auf Lehrberufeschauen oder in den Schulen deutlich kommunizieren, dass sie sehr gern Mädchen in ihrem Betrieb sehen würden.

Welchen Vorteil hat denn ein Betrieb, wenn mehr Frauen im Team sind?
Marlen Engel: Na ja, ich würde erst mal sagen, dass die jungen Frauen oft mit zu den besten in der Berufsausbildung gehören und ein anderes Sozialverhalten haben.
Lara Riegler: Ja und das wirkt sich dann auch irgendwie positiv aufs Team aus.

Muss Frau sich im Handwerk besonderen Respekt verschaffen?
Lara Riegler: Ich hatte nie dieses Gefühl. Die Männer helfen mir, wo sie können. Aber den einen oder anderen, oft nicht ernst gemeinten, Spruch muss man schon abkönnen.
Marlen Engel: Eine gewisse Schlagfertigkeit und Humor sind schon hilfreich. Aber eins ist auch klar: Fachlich und körperlich musst du auch als Frau „deinen Mann stehen“.

Seht Ihr Euch als Role-Models für eine junge Handwerkerinnen-Generation?
Marlen Engel: Nicht bewusst. Aber natürlich ändert es etwas, wenn unten auf der Straße Schülerinnen vorbeilaufen und eine Frau ein Dach decken sehen. Instagram zeigt auch, dass wir längst nicht mehr alleine sind. Glücklicherweise gibt es inzwischen doch eine zunehmende Zahl an Dachdeckerinnen oder Dachklempnerinnen – auch in Ostbrandenburg.
Lara Riegler: Ja, da gibt es schon mal den einen oder anderen bewundernden und erstaunten Blick. Aber das ist ja genau das, was wichtig ist. So wecken wir Neugier. Und wir sind gern bereit, die Faszination für unseren Beruf an andere Mädchen und junge Frauen weiterzugeben. Interview: Mirko Schwanitz

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